Thema:
Horizon - Zero Dawn flat
Autor: token
Datum:23.04.17 11:27
Antwort auf:Durchgezockt No. 35 von wantan

Ui, ein Fazit über Horizon zu schreiben finde ich gar nicht so einfach, denn bei allem was die Kiste großartig macht taten sich über die gesamte Spielzeit doch recht viele wie ich finde teils gravierende inhaltliche Probleme auf. Horizon ist da irgendwie ein wenig wie der BVB der Videospiele, zeigt absolutes CL-Niveau und spielt dann auf einmal wieder Kreisklassenfuppes und bietet diesen beiden Extreme recht häufig an. Dabei will ich diese Probs auch nicht überjazzen, unterm Strich ist Horizon ein toller Blockbuster der manche Aspekte referenzverdächtig löst, aber da ist insgesamt schon ein Gap da der durchaus einen deutlichen Impact auf meine initiale Begeisterung hatte.

Diese ist durchaus ein guter Aufsatzpunkt, ich finde ein Problem ist dass Horizon arg front loaded ist. Gerade zu Beginn feuert das Spiel aus allen Rohren, dieser Optikboom etwa, ohne Frage ist Horizon da denke ich recht klare Referenz, ich hab etwas derartiges noch nicht gesehen, und es ist erstaunlich dass die Kiste trotz OW erstaunlich stabil läuft, nicht komplett frei von Framedrops, aber hey, das ist nicht der Rede wert. Vor Horizons Technik kann man nur auf die Knie fallen. Und doch ist auch dieser Aspekt ein Kandidat für ein zentrales Problem des Spiels, dieser fehlende letzte Schliff zur Perfektion, wo teils gravierende Probleme ins Auge springen die so albern sind und auch vermeidbar wären, dass sie einen krassen Bruch zu dem darstellen was das Spiel in seinen Stärken auf dem Kasten hat. Die Asynchronität von Sprache zu den Lippenbewegungen ist regelrecht absurd, wir sprechen hier davon dass Charaktere nach dem der Text zu Ende gesprochen wurde teils noch "sekundenlang" tonlos weiterbrabbeln. Zwar sind das dann die vereinzelten Extremfälle, aber diese Asynchronität ist durchgehend vorhanden und stellt einen grotesken Bruch zur technischen Imposanz dar, man fragt sich wie man einerseits derart auf olympischen Niveau unterwegs sein, und es dann so ein vermeidbarer Immersionsbrecher der eher ein klassisches B-Waren-Problem ins fertige Spiel schaffen kann. Andere Punkte wäre dann etwa Wetterwechsel oder Tageszeitenwechsel, da ist kein smoother Übergang sondern eher wie eine Art Crossfade eines Musikplayers. Oder eben das Design, nackte Technik ist ja immer nur ein nötiges Fundament das seine Stärken erst dann ausspielen kann wenn das Gestalterische passt, und auch da ist Horizon eben auch brutal gut unterwegs, aber eben wieder nur front loaded. Während die Anfangsszenarien einem mit verschwenderischem Wahnssinn und künstlerischer Stilsicherheit die Socken ausziehen, wirken manche Schlüsselszenarien zum Ende hin die sehr wichtig für die gesamte Geschichte sind fast schon wie lieblos hingerotzt.

Ich denke hier haben wir schon das Hauptproblem, dieser allerletzte Schliff, diese allerletzte inhaltliche Ausarbeitung, das allerletzte ausbügeln, die allerletzte Ausgestaltung des Gamingloops, diese fehlt an allen Ecken und Enden. Das Versprechen zum absoluten Meisterwerk das Horizon in den Anfangsstunden gibt, und das denke ich viel mit dem euphorischen word to mouth zu tun hatte was der Titel triggern konnte, kann on the long run nicht eingelöst werden, am Ende bleibt ein wirklich bemerkenswerter Blockbuster dem man seine Stärken auch nicht wegdiskutieren sollte, dessen Probleme aber eben auch nicht weggeblinzelt werden können, da diese teils wirklich sehr groß sind, wie gesagt, für mich eine Art BVB der Videospiele, Weltklasse und Kreisklasse in Personalunion.

Wir können so weitermachen, das Kampfsystem, absolute Spitzenklasse, so clever, so spannend, so variantenreich, ein System in dem der Progress ähnlich wie bei Souls nicht in Attributen geparkt wird, sondern vornehmlich bei der Erfahrung des Spielers der mehr und mehr lernt die Schwächen seiner Gegner auszunutzen und seine eigenen Instrumente besser einzusetzen, dabei aber auch extrem große Räume zur eigenen Gestaltung des Vorgehens anbietet, mit einer extrem knackigen Steuerung und einem ziemlich geilen Flow im Kampfgeschehen wo es einfach schnurrt. Es dann aber versäumt die vorhandenen Bestandteile im Leveling komplett zu Ende zu denken und diese vernünftig im vorhandenen Spielgerüst zu motivieren, so hat man etwa Dinge die man sammelt und wo man Belohnungen einlösen kann, diese Dinge die man sammelt aber nur als Set abgeben darf was dazu führt dass diese Belohnungen erst dann abgeholt werden können wenn man im Fortschritt so weit ist, dass diese Belohnungen Müll sind. Müll. Oder etwa dem Umstand dass es Typen von Waffen gibt, diese aber in unterschiedlichen Stärkeklassen _gekauft_ werden, klassischer Denkfehler, und so wie die Anforderungen sind will ich mal den Spieler sehen der bei den meisten Waffen die zweite Qualitätsstufe nicht einfach überspringt, weil auch total klar ist, dass der Gap bei den Anforderungen für die darauf folgende Stufe so klein ist, dass man Stufe 2 klar als Ressourcenverschwendung ohne echte Mehrwerte begreift. Mit levelnden Waffen hat man das Problem nicht und motiviert damit auch das eigentlich zentrale Gameplayelement des Kampfes, Potenziale die Horizon fahrlässig liegen lässt und dann Dinge anbietet die eben nicht broken sind, aber auch weit davon entfernt ihre tatsächliche Strahlkraft auszuschöpfen.

Oder Telling, auf der einen Seite haben wir den Mainplot, der sich wirklich clever bei so mancher Vorlage bedient, aber kein reiner Raubbau ist, sondern seine eigene Note einbringt die dann das Erzählwerk unheimlich gelungen abrundet, nichts was einen zu Tränen rührt oder einen sprachlos twistet, dafür aber Sci-Fi-Affinität versiert bedient, spannend und interessant ist und in seiner erzählerischen Gesamtheit absolut rund und logisch ist so dass wirklich alles gelungen ineinander greift und ausreichend frisch und eigenständig ist. Dann aber am Schluss verschludert das Telling tatsächlich wirklich edel über die Ziellinie zu bringen, weil es Sidenotes nicht mehr durchdacht über die Laufstrecken streut, sondern diese immer nur an Spots häuft, was zu Problemen führt, und in diesen Notes recht viel an qualitativ deutlich abfallendem Spam mitschleppt, den man besser gestrichen oder eben besser ausgearbeitet hätte. Und kommt man dann an die Sidequests hat man plötzlich generische Genrerotze, wo man einerseits feststellen kann, dass es nicht viele Spiele gibt, die diese wirklich spürbar besser abwickeln, aber auch feststellen muss, dass das Potenzial zum Meisterwerk das Horizon hat eben nur dann vollumfänglich gehoben werden kann, wenn eben das dennoch besser gelöst wird.

Was am Ende über bleibt ist unterm Strich bemerkenswert tolle Blockbusterunterhaltung, wenn man auf sowas steht führt wirklich kein Weg an Horizon vorbei. Was aber auch festgestellt werden kann, dass Guerrilla wirklich alle Arbeitsnachweise am Start hat die zeigen dass diese Truppe das Potenzial hat wirklich ein one in a million game abzuliefern, es ist einfach alles notwendige da das zeigt dass die das auf dem Kasten haben, aber eben in allen Aspekten diese letzten 10 Prozent noch fehlen um dieses Potenzial wirklich zu heben.
Ich bin rattig auf einen weiteren Ableger der Franchise und hoffe sehr dass sie die offensichtlichen Schwächen kitten, wo ich anfangs euphorisch voreilig attestiert habe, Horizon sei Guerrillas Last of Us, muss ich nach den Credits attestieren dass es dann doch eher ihr Uncharted 2 war, was freilich jammern auf sehr hohem Niveau ist, und dennoch muss man auf eben diesem hohem Niveau aus dem Horizon zu Recht betrachtet wird konstatieren, nope, das reicht noch nicht, aber ihr seid auf einem gutem Weg.


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