Thema:
Prey flat
Autor: token
Datum:10.05.17 12:29
Antwort auf:Durchgezockt No. 35 von wantan

In kurzer Zeit durchgesuchtet, der Tacho zeigt am Ende 24 Spielstunden, und in diesen hab ich auch weitestgehend alles gesehen was das Spiel anzubieten hat, auch wenn ich zum Ende hin das Spiel nicht mehr in allen seinen Aspekten auf den letzten Tropfen abgemolken habe, da vereinzeltes Questdesign für mich schon eine Spur zu sperrig war und im Belohnungscharakter im Hinblick auf Aufwand und Ertrag nicht mehr zünden konnte, weil ich durch extrem viel Exploring eh schon einen krassen Motherfucker herangezüchtet habe, und mich die noch verbliebenen Skillz von der Beschreibung nicht mehr locken konnten.
Und wie gesagt die Tätigkeiten vom Design nicht mehr ganz überzeugen konnten.
Hier worum es geht, für extrem spoilerempfindliche im Tag, wenn man das nicht ganz so eng sieht kann man den Tag aber öffnen, es geht um ein bestimmtes Questvehikel und seine mechanics.


Okay, hier schon mal das Kurzfazit, Prey hat mich total unvorbereitet erwischt, ich hab das Spiel Null auf dem Radar gehabt und trotz Demo noch nicht geahnt wie der Titel wirklich tickt. Was mir so gut gefallen hat, war der Mut zur Analogität des Geschehens, der Verzicht auf die Komfortfunktion Schnellreise zwingt einen halt zu einer anderen Art der geistigen Auseinandersetzung mit dem gegebenen Set. Obendrauf kommt eben das knapp gehaltene Guiding, was einem im Grunde nur grob sagt wo man hin muss, aber entscheidende Tätigkeiten im Dunkeln lässt und man "wie früher" selbst überlegen muss was zu tun ist, und überlegen muss ob man es jetzt überhaupt schon tun kann. Etwa drei mal hab ich im Spiel mein eigentliches Ziel wieder abgehakt und beschlossen später wiederzukommen. Und dieses "wo musst du hin" ist hier nicht wortwörtlich zu nehmen, man muss nichts, Prey ist nicht linear und erlaubt offenes Vorgehen, Grenzen setzen einem dann bspw. Gegnerstärken oder Hindernisse für die Skillz fehlen, aber auch da findet man in der Regel wenn man sich verbeißt Umwege die man gehen kann, oder Kampfstrategien mit denen man klar kommt.

Wir haben etwa ein neu betretenes Areal. Wir aktivieren eine Quest für dieses Areal. Nun sieht man im HUD den Questmarker im Bild, den Zielpunkt. Man sieht aber nicht wie man da hinkommt. Ist es etwa im dritten Stock, wissen wir nicht wie und wo wir hochkommen. Die Map ist noch verdeckt. Wir müssen exploren, Treppen finden, Aufzüge finden, bei Aufzügen eventuell noch für Strom sorgen damit sie laufen, können schauen ob wir uns mit der Schaumstoffkanone eventuell Rampen bauen können um hoch zu kommen, können schauen wo Lüftungsschächte hinführen etc.
Und sind wir oben angelangt kann es sein dass der Marker hinter einer verschlossenen Türe ist, und wir müssen uns wieder was überlegen.

Ein neues Areal zwingt zum Exploring, es ZWINGT dazu, anders geht es nicht. Hat man die Karte freigelaufen sieht man in der Map die Struktur. Wie in alten Zeiten schalten wir tatsächlich immer wieder in die Map um zu schauen wo man wie irgendwo hinkommen kann, oder wo etwa der nächste Recycler ist um sein Inventar freizuräumen. Es bildet sich für die Areale auch eine Grundskizze im Kopf, speziell in so Hub-Arealen die man häufiger durchschreitet weil sie Übergänge zu vielen unterschiedlichen Bereichen anbieten und ergo häufiger bewandert werden, weiß man irgendwann auch ohne Map wo es lang geht, und hat dann auch schon diverse Shortcuts freigeschaltet die einst längerere und knifflige Wege abkürzen.
Mit Hubs und Shortcuts ist man natürlich schnell beim Soulsvergleich, aber auch wenn die Station organisch ist, und eben das Vorgehen in Arealen und wie man diese zunehmend besser versteht an Souls erinnert, spielt Souls diesbezüglich einfach in einer eigenen Liga. Aber wer diese Form von Struktur mag, wird den Aufbau zu schätzen wissen.

Und gerade der explizite Verzicht auf die Schnellreise ist finde ich ein guter Kniff um einen zu dieser Auseinandersetzung zu zwingen, und gibt einem wirklich das Gefühl sich in der Station zu bewegen und in ihr zu denken. Und, kleiner Spoiler, . Schöne Sache und ein mutiges Stilmittel, 15jährige die sowas gar nicht kennen werden wahrscheinlich über einen solchen Designkniff entsetzt sein ;)

Was bleibt zu sagen. Prey lebt Offenheit, du kannst einfach selbst deinen Weg wählen und kannst dich in dieser Station wie du willst bewegen, ich hab wirklich häufig alle Questmarker abgestellt wenn ich in einem interessanten Bereich war und hab da einfach nur geschaut und geschnüffelt. Und das hat sich super angefühlt.
Diese Offenheit gilt auch für den Progress des Charakters, du triffst Entscheidungen wie du dich entwickelst, willst du Hacken, verzichtest du auf anderes, du kannst Safes oder Türen öffnen oder Terminals freischalten ohne Passwörter zu kennen, dafür kannst du vielleicht keine schweren Gegenstände hochheben um Blockaden zu entfernen. Aber es gibt immer Mittel und Wege, und wer wie ich komplett im Titel versackt, der wird auch die diversen Lösungsmöglichkeiten für ein und das selbe Problem erkennen, und feststellen, ach, das wäre also gegangen, lol. Auch diverse Waffen oder Mods die wichtig sind kann man so mehrfach finden, ich habe irgendwo gelesen dass eine wichtige Waffe im Hinblick darauf dass sie verpassbar ist, kritisiert wurde, ich hab sie im Spiel zum ersten mal durch reine Exploration gefunden, und mich tierisch gefreut dass in dieser am Arsch der Welt Ecke plötzlich sowas geiles auftaucht, und im weiteren Verlauf glaub ich noch weitere 4 mal gefunden. Für mich ist so ein Design kein Kritikpunkt, wer Exploration belohnen will, muss Mut zur Lücke haben, und wenn ein Item gleich 5 mal im Spiel ist, dann ist diese Lücke überschaubar.

Mich hat es auch immer mit einem gewissen Stolz erfüllt wenn ich Lösungsmöglichkeiten erkannt habe und die Birne über der Birne angesprungen ist, etwas das so auch nur möglich ist, weil Prey es einem nicht auf die Nase bindet, wer das geil findet ist hier richtig, wer es linear mag und immer wissen möchte was zu tun ist und wie es zu tun ist, wird hier denke ich kaum glücklich werden.

Ich persönlich habe die letzten Tage jedenfalls auf der Talos I gelebt, und diesen Fleischklumpen meines Körpers als notwendiges Übel begriffen um ein Joypad halten zu können. Ich bleibe dabei dass die Atmo der Station nicht top notch ist, mein Fav Alien Isolation wird diesbezüglich wohl für immer unerreichbar bleiben, aber es ist quasi eine Open World Raumstation mit Deus Ex ähnlicher Exploration, ich fand das hammerst, vor allem dass jemand sowas imo schon recht sperriges überhaupt macht, und den Mut hat das mit so einer Konsequenz durchzuziehen. So wie die Rädchen da ineinander greifen entwickelte sich eine Stimmung die den Survival-Aspekt gut abwickeln konnte, und mir ein prächtiges Gefühl von Anwesenheit und Eigenständigkeit gab. Wenig Guiding, starke Analogität über echte Bewegung in der Station und dass Tätigkeiten nicht im Menü laufen sondern man dazu zu entsprechenden "hinlaufen" muss, das erzeugte auf mich schon einen vorzüglichen Sog, und ich persönlich kann nicht anders als die Konsequenz dieses Titels mit dem es sein Spielprinzip durchzieht hart zu feiern.
Auch viele kleine Ideen haben mir gut gefallen, ein Highlight war für mich etwa die Looking-Glas-Technologie und wie sie innerhalb der Sets manchmal eingesetzt wird, möchte da aber nichts verraten. Auch wie Crafting funktioniert fand ich geil und motivierend, und auch die Skilltrees und Mods empfand ich über den Großteil als wirklich sinnhaft und hilfreich, sprich, ich wollte das haben, und es hat oftmals große Auswirkungen darauf gehabt wie mein Charakter im Spiel agieren konnte, es gibt diverse Alibifeatures, aber teils hat ein Pimp schon recht krasse Auswirkungen.

Weltraumfreunde und Explorationskumpel die gerne von einem Spiel ernst genommen werden wollen, und gerne "selber" spielen möchten, finden hier ein Sammelsurium von Stilmitteln welche die Branche schon großflächig weggebügelt hat, die aber dennoch Anreize mitbringen die man anders gar nicht heben kann. Knight beschreibt es kurzum als Nerdtitel, das kann man denke ich so stehen lassen.

Ich selbst fand die Spielerfahrung großartig und erfrischend, aber so dankbar ich für diese bin, und so sehr ich das Spiel auch Leuten anpreisen möchte, es ist auch nicht perfekt. Story, der Punkt wie es moralische Entscheidungen abwickelt, nämlich als Nebelkerze, das Artdesign der Station, das Endgame, das ist alles gut bis sehr gut, aber auch nicht wirklich genial. Für Fans eines solchen Gesamtpakets dennoch ein Geschenk des Himmels, wenn man da Affinitäten hat, wird man kaum was besseres finden, gerade da diese Art Spiel im Grunde auch gar nicht mehr gemacht wird. Es mag sein dass Dishonored oder Deus Ex da irgendwie noch mehr können und auch ähnlich sind, aber diese Titel konnten bei mir leider nicht zünden, bei Prey hingegen hab ich die letzten Tage jede freie Minute reingesteckt.

Was es denke ich definitiv ist, das kann man auch zu diesem frühen Zeitpunkt sagen, ist DIE Überraschung des Jahres 2017, natürlich auch bedingt durch das hochgradig bekloppte Marketing, was für Fans solcher Spiele erfolgreich zu verbergen weiß, was da für ein Spiel drin steckt, und Fans der Marke Prey mit Eisenstiefeln ins Gemächt treten wird, weil das alles mit dem Indianer-Prey fucking herzlich wenig zu tun hat. Ich würde mir sehr wünschen dass der Titel kommerziell nicht komplett floppt und sein Publikum findet, damit solche Spiele auch in Zukunft weiter entwickelt werden, weil, das ist denke ich schon klar ein special interest Titel und nicht wirklich was für die breite Masse.


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