Thema:
Watch Dogs 2 flat
Autor: Sockenpapst
Datum:01.11.17 22:16
Antwort auf:Durchgezockt No. 35 von wantan

Ich bin durchaus beeindruckt, was Ubi mittlerweile aus seiner vielgehassten Open World-Formel gemacht hat: Statt einer unüberschaubaren Masse gesichtsloser Standardaufgaben, mit denen als Beschäftigungstherapie die Karte vollgeschissen wird, fokussiert WD2 auf gut ausgearbeitete und ansprechend präsentierte Haupt- und Nebenmissionen, wobei letztere diesen Namen auch tatsächlich verdienen. Da hat man offensichtlich auf den Witcher geschaut - es gibt schlechtere Vorbilder. Und selbst die an und für sich simplen Taxifahrten werden durch kleine Variationen und launige Dialoge zu einer spaßigen Angelegenheit. Letztlich bleiben nur die stumpfen (optionalen) Rennen als ein Überbleibsel düsterer Baukasten-Zeiten.

Daneben - und das verwundert dann weniger - ist die Spielwelt mal wieder wunderbar umgesetzt. San Francisco ist farbenfroh, ebenso lebendig wie detailliert, abwechslungsreich und schlicht wunderschön. Auch gefällt mir die verhältnismäßig kompakte Größe der Karte ausgesprochen gut; ich bin sinnfreien Gigantismus bei offenen Welten reichlich leid. Umso schöner, dass das Ganze dann noch mit einer unkapriziösen Schnellreisefunktion kombiniert wird.

Spielerisch gefallen die vielfältigen Möglichkeiten, die man alle zumindest ein Mal ausprobieren möchte. Einen Wachposten auf die Fahndungsliste zu setzen und kichernd dabei zuzusehen, wie die Bullerei ihn wenig später abführt, macht kurzfristig eine Riesengaudi. Allerdings nur solange, wie man sich nicht vor Augen führt, um wieviel effizienter - gerade angesichts der regelmäßig gewaltigen Gegnermassen - ein „robustes“ Schleichen mit Drohne und Sturmgewehr doch ist. In diesem Zusammenhang ist es wirklich komplett unverständlich, dass Ubi Teile des (hochinteressanten!) Skilltrees zwecks Spielzeitstreckung hinter optionalen und schwer zugänglichen Sammelobjekten versteckt.

Dies enttäuscht umso mehr, als dass wesentliche spielerische Kernelemente - namentlich Autofahren und Ballern - allenfalls solide umgesetzt worden sind. Den Karren fehlt es eklatant an Gewicht, und das komplett undefinierte Kurvenverhalten sorgt in der Anfangsphase für Frust. Naja, schnell Geradeausfahren funktioniert, zumindest Audifahrer werden also zufrieden sein. Und den Schießereien mangelt es eigentlich an allem: Keine Wucht, schwache KI, noch schwächeres Feedback. Meh.
Dummerweise waren die Entwickler zudem vom stinklangweiligen „Schaltkreise freischalten“ so begeistert, dass sie diesen ebenso anspruchslosen wie zeitraubenden Mist im Schlussdrittel immer und immer wieder bringen. Grauenhaft.

Das führt dann zumindest bei mir dazu, dass die Motivation verhältnismäßig früh wegbricht und ich nach guten 20 Stunden nur noch die letzten Hauptmissionen abgearbeitet habe. Dadurch fällt mein Fazit letzten Endes auch durchwachsener aus, als es das ob der tollen Anlagen sein müsste.


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