Thema:
The Surge flat
Autor: Sockenpapst
Datum:21.11.17 10:28
Antwort auf:Durchgezockt No. 35 von wantan

Wundervolles Spiel.

War Lords of the Fallen noch ein uninspirierter und in vielerlei Hinsicht - insbesondere beim Kampfsystem - arg mittelmäßiger Souls-Abklatsch (den ich trotzdem ganz gern mochte), bietet The Surge nicht nur genug Eigenständigkeit, sondern ist auch durch und durch rund.

Besonders hervor sticht das Leveldesign: Die Areale sind verhältnismäßig klein und vermeiden so überflüssige Laufwege, sind dabei gleichwohl ziemlich verwinkelt. Exploring wird hier belohnt, in unzulänglichen Ecken versteckt sich genau die richtige Menge (sinnvoller!) Items. Und immer wieder schaltet man clevere Abkürzungen frei. Klar, letzteres bietet heute nicht mehr den Souls(1)-Wow-Effekt, die Umsetzung ist aber überaus stimmig.
Zudem sind nicht alle "Level" düster wie ein Bärenarsch, sondern es gibt auch freundlichere Außenareale und eine wider Erwarten erstaunlich hübsch designte Büroetage. Fairerweise muss ich aber auch zugeben, dass es Spiel mit immer gleich aussehenden Versorgungsschächten dann doch arg übertreibt.

Das Kampfsystem ist gelungen und schafft es gut, die enorme physische Wucht der stumpfen Schlagwaffen rüberzubringen. Zudem funktioniert das zunächst obskur klingende gezielte Abtrennen von Körperteilen, um anschließend das entsprechende Rüstungsteil zu geiern, hervorragend und bringt eine enorme zusätzliche Würze. Leider finde ich aber das Bauen und Modden der Rüstungen, ebenso wie ihr Balancing, nicht vollständig gelungen: Man erhält relativ schnell hochwertige Teile, die simplen Dinger, um die zunächst zwingend erforderlichen ersten Tuningstufen einer Rüstung erfolgreich abzuschließen, oder sie gar erst zusammefrickeln zu dürfen, sind aber Mangelware und erforderten langweiliges Farmen gegen Kanonenfutter.
Dazu kommt, dass die Schutzwirkung schwerer Rüstungen imo zu gering ist; es macht zu wenig Sinn, erhebliche Einschränkungen bspw. der Ausdauer gegen ein Quäntchen mehr Schutz einzutauschen. Ein ähnliches Problem hatte für mich jüngst auch Nioh, das sich aber um ein Vielfaches schneller und dynamischer spielt als The Surge, welches eigentlich einen Spielstil als Tank nahelegt.

Ansonsten gefällt mir das Aufleveln im Spiel ausgezeichnet: Wirkt es zunächst sehr simpel (man steigert einen einzigen Basiswert, der wiederum u.a. bestimmt, wie viele Mods unterschiedlichster Stärke man komplett frei installieren kann), lässt aber mit zunehmender Spieldauer genug Spielraum für individuelle Anpassungen und schwierige Entscheidungen der Sorte: Nehme ich ein jetzt besseres Heilitem oder steigere ich meine Ausdauer? Sehr durchdacht, das Ganze.

Top ist die Technik, zumindest im Performance-Modus auf X (und Pro): Überaus stabile 60 FPS bei 1080p, dazu sieht das Spiel insgesamt gut - nicht mehr, nicht weniger - aus. Genau das ist der Weg, den ich mir statt 4k-Irrsinn (optional) immer wünschen würde. Absolut lobenswert.

Alles in Allem ist The Surge einfach ein rundes, motivierendes Stück Software: Alle Gameplayelemente greifen zielsicher ineinander, das Kampfsystem funktioniert, das Aufleveln motiviert, und die Bosse stellen angemessene Herausforderungen dar, die einen erst zur Verzweiflung bringen, um hinterher dieses schöne "Warum hatte ich jetzt eigentlich Probleme?"-Gefühl auszulösen. Klasse. Zudem stimmt mit in meinem Fall knapp 30 Stunden der Umfang, wobei das Spiel quasi komplett ohne Längen auskommt. Dabei belohnt es Erforschen und ruhiges, aufmerksames Spielen ebenso wie das Horten von Ressourcen und erinnert dabei vom Spielgefühl her - neben den offensichtlichen Vorbildern - auch wohlig an die älteren Resident Evils.

Mir ist klar, dass dieses Spiel nicht in vielen GotY-Listen auftauchen wird; dazu ist es nicht innovativ genug, hat nicht genug Bling und ganz offensichtlich auch kein irrwitziges Budget. Von der Konkurrenz 2017 ganz zu schweigen. Aber auf meiner persönlichen Liste spielt es ganz oben mit.
Und wenn ich die Steigerung zwischen LotF und The Surge sehe, werde ich ganz wuschig beim Gedanken auf ein drittes "Souls" von Deck 13.


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