Thema:
Durch *spoiler* flat
Autor: phaxy
Datum:25.05.22 17:53
Antwort auf:Red Dead Redemption 2 #6: Hottehüs und blaue Bohnen von Sachiel

Ich habe lange mit mir gerungen RDR2 nach und nach als das zu akzeptieren, was es sein wollte:

- U.a. weil Rockstar z.B. seit GTA4(?) überhaupt keine Fortschritte bei der Figurenkontrolle gemacht hat
- oder weil in Red Deads Welt viele alleinstehende Hütten und Bretterbuden einfach nicht betretbar sind - auch wenn Arthur explizit die Fähigkeiten besitzt, sich Zutritt zu verschaffen

Dazu ist die gesamte Ökonomie und somit die Motivation für das ganze Unterfangen so: unausgereift.
Ich kämpfe mit meinen Freiheitsliebhabern darum Menschen auszurauben um irgendwo (wo es auch nicht so teuer ist) unbehelligt der Konsequenzen dieser Taten komfortabel leben zu können. Irgendwann hat Arthur aber absolut mühelos 5000 Dollar in seiner Tasche. Wie viel das nach heutigen Standards?

Über 170.000!

Es gibt also aus finanziellen, existenziellen oder erzählerischen Gründen für weitere Überfälle oder dem Ausräumen fremder Bretterbuden bald gar keinen rationalen Grund mehr.
Und dieser verschrobene Anführer will mir weiß machen, als könnten Sie mit dem gesammelten Vermögen nicht anderswo leben; nein, man müsse immer weiter rauben, "nur noch dieses eine Mal"? Für mich hat der Ansatz, dass ich zwar mitunter schlimme Dinge tue, aber mit einem in Anführungszeichen guten Grund dahinter, bald nicht mehr funktioniert. Dennoch glauben es alle.

Dabei waren die drei Camp-Symbole ständig auf rot. Hatte das Konsequenzen? Nicht die geringsten! Ich hatte ehrlich gesagt über die gesamte Spielzeit auch keine Ahnung, was das bedeutet und wie ich diesen Zustand ändern konnte :D

Dabei waren mir die meisten Leute aus dem Camp eh fremd, bis auf ein oder höchstens zwei Ausnahmen, die laaaaangsam Zeit hatten, sich zu entfalten. Alle mal mehr mal weniger ungehobelt und "hard boiled". Zuneigung zwischen den Paaren gibts nicht. Ist das Western-Fantasy? Bestimmt. Ist das authentisch? Also ich weiß ja nicht.
Bei mir kommt es jedenfalls nie so an, als würde ich die Charaktere um mich herum ansatzweise kennen.

Klar, kann man es auch "Rollenspiel" nennen, wenn ich die Eigenschaften und Motive einer anderen Figur annehme und ich mich so an diese Perspektive anpassen muss. Ich habe aber einfach nicht nachvollziehen können, warum diese unkompatibilien Persönlichkeiten miteinander verhaftet sind, was sie verbindet.
Ich habe mich auch nur selten im Camp aufgehalten, dieses Gezanke der stinkend faulen haben auch ein Singsang am Lagerfeuer nicht wett gemacht.

Ich fühlte zum armen Tropf Mickey in Valentine eine deuuuuutlich (deutlich) größere Connection, als zu irgendjemandem in der Bande.

Warum entscheidet sich nicht einer vom Clan, sich abzuspalten, unterzutauchen und ein "normales" Leben zu leben und so diesen angeblichen Verband in Frage zu stellen?

Was ich in Verbindung mit Athurs Charakterbogen nicht verstand:
Warum stellt das Spiel kurz vor Arthurs Tod eine künstliche Entscheidungsmöglichkeit zur Verfügung? Diese mögliche Option verwässert doch die innere Veränderung, die er mit der sicheren Diagnose des baldigen Ableben gemacht hat. Schließlich reflektiert er und bekommt die Eingebung von Außenstehenden, dass er insgeheim eigentlich das "Kein Arschloch"-Gütesiegel trägt.
Warum also würde Arthur sich mit diesem Hintergrund in meinem Fall plötzlich für das Geld entscheiden? Hat er Leopold Strauss nicht sogar deswegen verbannt, weil er realisierte, zu welchen unsäglichen Missetaten Leopold ihn angewiesen hat? Es ist komisch.

Das Finale kam bei mir nicht schlüssig und im Gegensatz zum Rest des Spiels sogar überraschend stümperhaft inszeniert vor. Zunächst vermittelte das Skript, dass hier wirklich ein (überaus schlechter) Bosskampf wartet. Selbst mit der Prämisse, dass die Story irgendwie in RDR1 münden muss, wäre ein besserer Abschluss aber trotzdem absolut möglich gewesen. Ich glaube über diese Szene muss ich nochmal reden.


Und dennoch!
Ich habe beizeiten unheimlich viel aus dieser Welt gesogen (siehe eine Etage tiefer).
Ein Jammer, dass die Mogollon-Kultur meines Wissens nach nicht im Spiel auftaucht:
[http://abload.de/img/dsc02288xqjq8.jpg]

Kurzfazit:
RDR2 ist einfach bemerkenswert auf so vielen Ebenen.
Die Story hätte man aber auch deutlich staffer erzählen können.

7/10


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