Thema:
Re:Celeste - Late to the party flat
Autor: token
Datum:17.07.24 13:41
Antwort auf:Re:Celeste - Late to the party von musashi

>>Als ich mich darüber informieren wollte welche Spiele die Entwickler noch so gemacht haben, und darüber erfuhr dass einer der maßgeblichen Entwickler eine Transfrau ist, gab das dem Ganzen auch nur eine weitere Dimension von Tiefe.
>
>Maddy hat dazu einen langen Beitrag verfasst. Am Anfang der Entwicklung war ihr noch gar nicht klar, dass sie trans ist:
>[https://maddythorson.medium.com/is-madeline-canonically-trans-4277ece02e40]
>
>Disclaimer: ich habe den Artikel (noch) nicht gelesen.
>

Erstmal herzlichen Dank für diesen Link. Hochinteressant!
Als ich gelesen hab dass Sie Trans ist hab ich im Kontext von Celeste nur gedacht: Natürlich!

Aber ihre Abhandlung darüber finde ich mega spannend, denn ich hätte gedacht dass mit Celeste eine Art _retrospektive_ Verarbeitung erfolgt und Madeline bewusst diffus gehalten wird um eine größere Projektionsfläche für diesen "menschlichen" Konflikt den man hat angeboten wird.

Dass der Konflikt den Celeste behandelt zum Zeitpunkt der Entwicklung bei ihr akut getobt hat find ich krass, weil Madeline am Ende ja durchaus dazu kommt sich selbst zu umarmen und etwas zu begreifen, also Maddys Alter Ego, während Maddy selbst offenbar noch nicht ganz an diesem Punkt war.
Celeste ist also keine reine "Aufarbeitung" von etwas, es ist ein Slice der aktiven "Verarbeitung".

Und, dass die wahren Hintergründe von Madeline verschleiert werden, als "privacy" begründet wird, sie schreibt "you learned something from a trans story" und auch noch sagt dass sie Madeline wenn sie damals schon weiter gewesen wäre wohl etwas anders geschrieben hätte, kann ich persönlich nur als glückliche Fügung begreifen.

Denn dass Celeste es nicht auf den Themenkomplex "Selbstfindung bei coming out" verschränkt wird ist in meinen Augen genau die Stärke von Madelines Geschichte die eben zu dieser Wahrhaftigkeit führt.

Denn die Kernproblematik die Celeste behandelt ist nichts was irgendein Themenkomplex exklusiv hätte, das Motiv welches für diesen Schiefstand sorgt ist beliebig und austauschbar, es reicht das irgendwas für einen "falsch" ist, aber losgelöst davon was genau "falsch" ist, sind die damit verbundenen Erlebniswelten und Grundsatzprobleme sich doch sehr ähnlich.

Und genau durch dadurch dass es nicht auf die Trans-Problematik verschränkt wird, erzählt Celeste in meinen Augen eine größere und wahrhaftigere Geschichte, keine über ein Coming Out sondern eine über das Leben an sich. Und ich finde es faszinierend dass die Autorin genau das offenbar selbst noch nicht begriffen hat, zumindest der verlinkte Artikel lässt mich das mutmaßen.

Möglicherweise bin ich auch deswegen derart empfänglich für das was Celeste macht weil ich mich akut auch schon wieder in diesem Prozess befinde. Dass etwas in dir unzufrieden ist, anfängt zu schreien, dich zu sabotieren. Und dass man das als das eigentliche Problem begreift, ein lästiger Fremdkörper dem man zu entkommen versucht, obwohl man nicht vor sich selbst davon laufen kann.
Irgendwann damit seinen Frieden zu machen, sich selbst zu umarmen, in sich reinzuhorchen worum es vielleicht überhaupt gehen könnte. Eine Idee davon zu entwickeln. Und dann diesen Berg vor sich zu sehen, den man erklimmen muss, wenn man dieser Idee nachgehen würde, ohne zu wissen ob man das überhaupt in sich hat, diesen Gipfel überhaupt zu erreichen, und ohne Gewissheit dort das vorzufinden was man sucht.

Celeste ist in meinen Augen nicht nur eines der ganz wenigen Spiele die tatsächlich was zu sagen haben, sondern darüberhinaus auch noch eines das seine Message so rüberbringt wie es nur im Medium Videospiel überhaupt möglich ist.

Wie schon gesagt:

>
>>Ein Meisterwerk.
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>Ich finde es super, dass du dem Spiel eine zweite Chance gegeben hast und zu diesem Fazit gekommen bist, dem ich absolut zustimme. Du hast nur eine Sache vergessen zu erwähnen, nämlich den göttlichen Soundtrack von Lena Raine.


Sorry, du hast Recht, der Soundtrack ist göttlich!
Und ebenfalls nicht einfach nur isoliert geil, sondern integral für das Gesamtgewebe und was es mit einem macht.


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