Thema:
Re:Folge 3.04 (Spoiler) flat
Autor: harukathor
Datum:21.03.25 22:10
Antwort auf:Folge 3.04 (Spoiler) von HomiSite

Ok, langer Text, viele Antworten.

>Nach dieser vierten Episode kommen nur noch vier weitere Staffelfolgen und trotzdem wird diese gute Stunde (!) fast vollständig für verschiedene Rückblenden in die weite Vergangenheit verwandt. Ob es das wert war? Ich habe nicht den Eindruck, dass ich wirklich umstürzende Erkenntnisse gewonnen habe, aber vielleicht fehlt mir mehr Hintergrundwissen zum RAD DER ZEIT (bzw. ich habe es seit den ersten Staffeln vergessen).
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Das gigantische Problem der Serie ist, dass du an dieser Stelle eigentlich das notwendige Hintergrundwissen haben solltest, um das meiste hier zu verstehen – es aber durch das von dir schon bemängelte Auf und Ab (das wohl stark auf einem "Viel Köche verderben den Brei"-Szenario basiert) nun oft ein Flickenteppich ist. Für Buchleser ist die Folge tatsächlich ein in Erfüllung gegangener Traum, wie man auch an der aktuellen IMD-Bewertung (9.6) sieht.

>Wie letzte Folge angekündigt, muss Rand in einer uralten Stadt beweisen, dass er der vorhergesagte, äh, Mahdi der, öh, Fremen ist. Dann kriegt er ein Heer aus Sandkriegern, kann mit ihnen zu einer uneinnehmbaren Feste reisen und Anspruch auf das, hm, Master-Schwert erheben, die mächstigsten/einzige Waffe gegen das Böse und/oder den Dunklen König Sauron.
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Hier sieht man gut, wie viele Nuancen der Serie momentan fehlen... Großer Buch-Spoiler:

>Und man erfährt mehr zur Welt, aber so ganz kapiert habe ich das nicht wegen der Zeitsprünge. Irgendwann in der Vergangenheit war man wohl fortschrittlicher, zumindest sieht man besagte Kugel und Kutschen scheinen aus Metall/Mithril zu sein. Ich dachte kurz, dass es nun Richtung SHANNARA CHRONICLES geht mit verschollener Technik, aber besagte Kutschen werden trotzdem von Pferden gezogen.
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Wir hatten gegen Ende der ersten Staffel schon einen Rückblick auf die Welt vor 3000 Jahren, die als hochentwickelte, futuristische Zivilisation gezeigt wurde. In genau dieser Periode spielt auch der letzte Rückblick: Mierin (später Lanfear) entdeckt eine neue Machtquelle, die angeblich von allen genutzt werden kann – unabhängig von der Einen Macht – und außerhalb des Musters existiert. Was sie da unwissentlich öffnet, ist der Zugang zum Dunklen (Dark One), der definitiv kein Sauron ist. Der Einfluss des Dunklen entfesselt danach einen zerstörerischen Wandel, in dessen Folge nicht nur Gesellschaften und Reiche vergehen, sondern die gesamte Welt physisch und kulturell transformiert wird – weshalb auch der technische Fortschritt allmählich verschwindet.
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>Daraus entstehen dann auch die Wüstenkrieger, glaube ich, aber das ganze Gesabbel mit Eidbrechern hab ich nicht verstanden. Was sollen die Bäume? Dieser kleine weiße Ball (wohl das magische Äquivalent zum Master-Schwert)? Warum haben einst die Aes Sedai diese heilige Stadt zu einem Ort der Prüfungen gemacht?
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Der kleine weiße Ball ist vermutlich ein Ersatz für etwas anderes in den Büchern, da möchte ich mich aber noch nicht festlegen. Die Bäume sind Konstrukte aus dem Zeitalter der Legenden (also ein besonderes Artefakt von einst), die dafür berühmt sind, dass man sich unter ihren Blättern besonders friedlich fühlt. Und Rhuidean wurde von den Aes Sedai zum Prüfungsort bestimmt, um die Aiel an ihre wahre Geschichte zu erinnern und ihre künftigen Anführer auf die Ankunft des Car’a’carn vorzubereiten.

>Und warum sind diese Prüfungen/Visionen, die Rand und anders Moiraine erfahren, eigentlich gefährlich? Woran scheitert man dabei? In der Aes-Sedai-Prüfung in der Weißen Burg ist ja meines Wissens die Gefahr/Herausforderung, dass man sich in den Visionen verliert bzw. diese als Realität akzeptiert. Im Wald der weißen Stümpfe läuft Rand gegen unsichtbaren Wind, während sich ein anderen Prüfling die Augen rausreißt (natürlich nicht allzu grafisch).
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Rand „cheatet“ gewissermaßen, weil er nicht als Aiel aufgewachsen ist. Für ihn sind die gezeigten Visionen zwar intensiv, aber emotional wenig zerstörerisch. Für die Aiel dagegen ist das eine extrem schmerzhafte Erfahrung: Sie sehen sich als stolzes Kriegervolk, das nach einem klaren Ehrenkodex lebt – Eide sind für sie heilig. In der Prüfung erfahren die künftigen Clanhäuptlinge jedoch, dass ihre Urahnen einst friedliche Diener der Aes Sedai waren, die jeder Gewalt abgeschworen hatten. Diese frühen Aiel folgten dem „Weg des Blattes“ – also derselben pazifistischen Lebensweise, der sich die (von den Aiel verachteten) Kesselflicker verschrieben haben. Umso schwerer wiegt die Erkenntnis, dass die heutigen Aiel diesen Eid gebrochen haben, indem sie zu den Waffen griffen. Das wirft ihr komplettes  Selbstbild um, weshalb sich einige lieber die Augen auskratzen, als sich der Wahrheit zu stellen.

Bei den Ringen liegt die Gefahr hingegen darin, dass sie nicht nur einen einzigen möglichen Lebensweg, sondern viele mögliche Entscheidungen, Wendungen und Konsequenzen zeigen. Die Visionen können so real wirken, dass man sich darin verliert, aufgibt oder geistig zerbricht. Zudem konfrontieren sie einen oft mit schmerzhaften Wahrheiten oder bitteren Entscheidungen, die man in der Zukunft treffen könnte.

>Am Ende schafft es Rand knapp durch den Wald und bekommt magische Drachentattoos an beiden Unterarmen - warum auch immer -, wodurch er endgültig als Auserwählter feststeht (seine Erkenntnis ist aber nur, dass er nun weiß, dass er nichts weiß). Moiraine klaut (?) übrigens erwähnten Ball, aber schafft es aus eigener Kraft nicht aus ihren Visionen von Tod und Lanfear. Rand trägt sie schließlich aus der Stadt (wobei man nicht sieht, ob er sie aus den Visionen geholt hat - und hat Moiraine ihre Prüfung damit bestanden?).
>

Das ist eine Prüfung für Aviendha (was hat sie wohl gesehen?), aber nicht wirklich für Moiraine – die die Ringe ebenfalls wieder verlassen haben sollte, bevor Rand sie zurückträgt (die Szene gibt es in den Büchern nicht, da hier Mat aus anderen Gründen das "Opfer" ist). Warum dieser Abstecher dennoch absolut wichtig für Moiraine war, sollte diese Staffel eigentlich noch klären.

>Ich bin offenkundig verwirrt, sonst hätte ich nicht so viel niedergeschrieben. :-) Ob der ganze Lore Dump nötig ist, bezweifle ich zurzeit. Wirkt ein wenig so, als ob man der WHEEL OF TIME-Welt auf Krampf Tolkien'sche Tiefe geben will?
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Die Bücher haben tatsächlich eine ähnliche Tiefe wie die von Tolkien, nur dass Jordan halt eher vom Blickwinkel der Militärhistorie als von der Sprachwissenschaft ansetzt. Er hat seine Welt über Jahre hinweg entworfen, mit eigenem Magiesystem, Geschichte, Mythologie, Kulturen, Völkern und Prophezeiungen – allerdings mit einem anderen Fokus und Weltverständnis als Tolkien.


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