Thema:
Fazit Staffel 1 von Étoile flat
Autor: HomiSite
Datum:02.05.25 14:31
Antwort auf:Etoile [Serie, Prime] von KaeptenIglo

Ich weiß gar nicht mehr, wieso ich frisch zum Start auf Amazon Prime in ÉTOILE reinschaute. Eine Verbundenheit zum Ballett habe ich nicht (nie eine Aufführung besucht oder Darren Aronofskys BLACK SWAN gesehen) und auch die Creator waren mir nicht bewusst.

Ich war dann aber von der ersten Folge aus den von KaeptenIglo umrissenenen Gründen gefesselt und habe die erste Staffel schnell durchgezogen. Mehr oder weniger skurrile Charaktere, wahnwitzige Dialoge und die ungewohnte Halbwelt des Ballett.

Man erkennt die Handschrift der Schöpferin Amy Sherman-Palladino auf jeden Fall wieder, deren bisher größter Erfolg wohl GILMORE GIRLS war, das/die ich früher im Fernsehen aus genannten Gründen gerne geschaut habe (THE MARVELOUS MRS. MAISEL kenne ich nicht).

Ich habe die Serie in der deutschen Synchronisation gesehen, die ich gelungen fand. Trotzdem wird viel Französisch gesprochen und untertitelt, weil ja die beiden Ballettcompagnien in New York und Paris im Zentrum stehen. In der Alten Welt wird gefühlt zu oft ins Englische (Deutsche) gewechselt, wahrscheinlich aus Rücksicht aufs internationale Publikum. :-)

Im Zentrum von ÉTOILE stehen wenig überraschend die Figuren vom Plakat bzw. ihre Darsteller: Charlotte Gainsbourg als etwas fahrige Interimschefin des Balletts in Paris, Luke Kirby als ihr amerikanisches Gegenstück mit herrlich genervten Gesichtsausdrücken und Lou de Laâge als titelgebende Tänzerin, brillant auf der Bühne, menschlich meist unausstehlich (und mit Abstand am stärksten überzeichnet von den dreien).

Sie alle sind fantastisch und witzig, aber leben trotz vieler unterhaltsamer Nebenfiguren vor allem von den Interaktionen untereinander. Und mir scheint, dass Gainsbourgs Figur dabei etwas den Kürzeren ziegt, weil eben de Laâges Cheyenne Toussaint oft in New York weilt.

ÉTOILE ist voll an Motiven und Handlungssträngen und der größte Kritikpunkt dürfte sein, dass es zu viel ist, um alles gleichwertig zu entwickeln. Schattenseiten vom Ballett und dem Kulturbetrieb sind stets präsent, aber eher im Subtext und in Nebensätzen, aber auch mit dem Vorschlaghammer in Person eines reichen Mäzens, der als Schurke in der 1960er BATMAN-Serie durchgehen würde.

"Dramedy" ist das Genre der Serie, aber die Ausprägungen wechseln munter wie auch das Erzähltempo, das sich im Mittelteil durchaus einige Pausen nimmt. Mal passieren erwartbare Klischees (gefühlt mehr zum Ende), mal das Gegenteil. Mal sind Witze platt, mal zwischen den Zeilen. Mal sind Charaktere absurd überzeichnet, dann wieder sehr nahbar. Ebenso wechselhaft ist die Darstellung von Ballett, das mal kaum stattfindet, dann ausführliche Tanzszenen bekommt. Zerfasert wirkt die Serie bisweilen, vielleicht sogar langweilig, aber diese stets brodelnde Unausgewogenheit macht es gerade interessant spannend, unterhaltsam (visuell oft durch lange Einstellungen mit Steadycam festgehalten).

Zum Staffelende mag das Drama etwas forciert werden, auch in Vorbereitung auf die bereits bewilligte (und zwingend nötige) zweite Staffel, auf die ich mich jetzt schon freue. Empfehlung!

PS:


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