Thema:
Re:Der Amazon-Split kommt endlich flat
Autor: PartyPaul
Datum:13.03.22 20:20
Antwort auf:Re:Der Amazon-Split kommt endlich von Rocco

>>Dann oder dazu überlegt vielleicht der ein oder andere Kunde irgendwelche Cloudprojekt hinten anzustellen oder wieder zu begraben und erstmal zu sparen
>
>Meinst du wirklich? Normalerweise will man ja mit einem Umzug in die Cloud Geld sparen (CAPEX vs OPEX) und selbst eine Corona-Krise hat den Markt die letzten Jahre aufgrund steigendem Hunger nach Cloud-Ressourcen eher beflügelt als geschadet. Ich glaube nicht, dass sich AWS, GC, Azure und Co dahingehend irgendwelche Sorgen machen müssen.


TLDR (wurde doch auf einmal länger :D):
Ich weiß es nicht, AWS wird sicherlich profitabel bleiben, aber es geht hier ja um die Wirtschaft und Amazon als ganzes.

Long:

Ich weiß es nicht, aktuell seh ich in allen Bereichen dunkle Wolken aufziehen und frag mich wie man grade in Europa überhaupt in nächster Zeit aus der Spirale der kaputten Energiepreise und zerstörten Lieferketten rauskommen will. Ich kann mir grad gar nicht vorstellen wie insbesondere kleine Betriebe überhaupt überleben sollen, wenn entweder deren Produkte in der Herstellung zu teuer werden, so dass sie in relevanten Stückzahlen verkauft werden können bzw. die notwendige Masse an Konsumenten überhaupt existiert, wenn die meisten nun 50% mehr Spritkosten und 400% mehr Energiekosten monatlich haben. Dieses Geld fließt ja primär ins Ausland und kommt kaum zurück. Dazu dann die Spirale aus drohender Arbeitslosigkeit und mangelnder Kaufkraft.

Und all der Cloudkram hat ja für die großen Firmen eher wachstumsrelevanten Charakter bzw. kommt aus einem Featurebedarf der ohne Cloud erstmal zu teuer ist, diesen selbst bereitzustellen oder zu entwickeln. Wenn aber keiner mehr da ist der diese Features wirklich braucht oder bezahlen will bzw. kann, dann bleibt auch dort das Wachstum aus. Viele haben ja ansonsten bereits in Infrastruktur investiert, wenns Wachstum ausbleibt, muss man die Kosten optimieren. Firmenneugründungen haben da sicherlich ein anderes Kostennutzungsmodell als ein großer Mittelständler, der bereits seine eigene IT-Infrastruktur hat.

Ist aber sicherlich auch ein bißchen meine persönliche Brille, da ich eben in so Projekten grade drin stecke, die bisher nur Kosten für die Firma verursachen und immer noch in einer WIP/PoC Phase stecken und man grundsätzlich für das was die Kunden eigentlich wollen, sicher auch non-cloud Lösungen erstellen könnte und je länger das noch so geht oder nicht erfolgreich monetarisiert werden kann, desto eher kann ich mir vorstellen wenn der Vorstand dann doch da den Stecker zieht. Damit meine ich nichtmal den Punkt der Weiterentwicklung der Features für den Kunden, sondern eben rein die Nutzung von Azure oder AWS. Wenn man bereits jetzt pro Jahr 6-7 stellige Beträge allein nur für die Datenübertragung berappen darf, aber dennoch sowieso eine eigene IT Infrastruktur pflegt bzw. pflegen muss, kann man sicher mal drüber nachdenken ob es nicht auch anders geht, insbesondere wenn die jetzigen Preise bei den Anbietern in den nächsten Jahren sicher anziehen dürften. Vielleicht ist unser Use-Case aber in der Gesamtmasse auch einfach irrelevant.

Aber dazu kommen ja noch Gefahren der marktregulativen Mechanismen um die Konjunktur anzukurbeln bzw. die Konkurrenz zu stärken bzw. überhaupt Raum zu schaffen, dass diese sich aufbauen kann. Zu den Großen 5 (MS, Meta, Google, Apple, Amzaon) liest man in letzter Zeit ja immer wieder mal Diskussionen um Themen wie Zerschlagung oder eben deutlich erhöhte Steuerabgaben in Europa, durch Zahlung der Steuern dort, wo auch der Umsatz/Gewinn gemacht wird.

Seit Jahren Prime für 69 € im Jahr inkl. Mwst anzubieten (fast 50% der Haushalte in Deutschland haben eins) und damit:
- Die Produktion von Teils hoch qualitativen (und somit teuren) Medieninhalten (Video, Audio etc.) zu finanzieren und dessen gratis konsum dem Konsumenten zu ermöglich
- Umsonst auch jedes noch so preisgünste Objekt zeitnah zu transportieren
- Eine Kreditkarte zu finanzieren, die einem auch nochmal 2% Prozent Cashback bei Käufen dort bringt.
- Ein Twitchabo im Wert von 3,99 € (bis letztes Jahr sogar 4,99) beinhaltet, wovon 50%+ direkt an den Streamer geht, d.h. auch wirklich ausbezahlt wird und dies somit reale, anteilig gesehen relativ hohe, Kosten für Amazon sind.
- Den Kauf von Klamotten zur Anprobe bewirbt, sprich für bereits eingeplante Retouren wirbt.
- noch diverse andere Features, die ich nicht nutze.

Das kann selbst vor Corona sich doch gar nicht gerechnet haben, wenn die Features von allen Kunden wirklich genutzt würden. In Spanien kostet Prime sogar nur 36 €!
Aber mit den gestiegenen Kosten für Energie und Logistik grad ab der letzten Jahreshälfte, können die Preise nicht so bleiben. Forderung nach höheren Löhnen und zum Teil sogar bereits erfolgten Anhebungen von Mindestlohn etc. kommen ja noch on Top. In Amerika kostet prime übrigens seit diesem Februar 139 $.

Und falls dann die Preise sich demnächst hier auch deutlich erhöhen und die Kunden zur Mischkalkulation ausbleiben, kippt vielleicht das ganze Modell/Produkt. Wenn dann noch die weiteren Kosten oder Steuern steigen, regionale Konkurrenten größer werden, rutscht Amazon auch schnell mal wieder in rote Zahlen. Ich mein selbst Bezos hat ja gesagt der Tod von Amazon ist unausweichlich und vielleicht beginnt die Zeit grad?(glaub ich allerdings selber nicht)

Muss natürlich alles nicht so kommen, vielleicht siehts im Sommer schon wieder deutlich anders aus, Amazon vermeldet die nächsten Rekorde und alle freuen sich. Vielleicht gehen auch erstmal alle Konkurrenten kaputt, da Amazon einfach defizitär weitermacht oder umgekehrt für die meisten Kunden lohnt sich Prime auch für 200€ noch, da es dann zu dem Zeitpunkt trotzdem noch konkurrenzlos gegenüber selber fahren oder von woanders liefern lassen ist und man eben dann lieber einfach aufs Zweitauto, Disney+ und/oder Netflix verzichtet, wo ja oft zumindest eine der beiden abos auch noch am start ist.

Auf die Aktie bezogen muss das für die nächsten 2 Quartale noch keine Auswirkung haben und ein letztes Aufbäumen des Kurses vor einer möglich Rezession ist durchaus wahrscheinlich und man kann hier eventuell Gewinne kurzfristig mitnehmen.
Auch wie deren angekündigte Aktienrückkäufe sich auswirken kann ich absolut nicht beurteilen. Aber das es einen erneuten Bullrun wie nach dem ersten Corona Schock 2020 gibt, kann ich mir nicht mehr vorstellen. Aktuell sieht es wohl eher nach einem langen Bearmarket in den nächten Jahren aus und mich würde es genauso wenig wundern wenn die Aktie sich nochmal im Preis halbiert oder viertelt bevor es wieder nach oben geht und damit mein ich nicht den offiziellen Split ;)

Das einzige wovon ich überhaupt keine Ahnung hab und was in meiner Betrachtung nicht einfließt sind Währungseffekte und was eine eine noch stärkere Inflation oder gar Hyperinflation, insbesondere des Dollars selbst, am Aktienmarkt generell und für Amazon speziell als US Aktie bewirken würde.


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