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| Autor: | token | ||
| Datum: | 31.07.23 13:25 | ||
| Antwort auf: | Re:Studie: Linke sind intoleranter... von Pezking | ||
>"In demokratietheoretischer Hinsicht stellt ideologische Polarisierung allein allerdings noch kein Problem dar, kann gar als wünschenswerte Form gesellschaftlicher Ausdifferenzierung verstanden werden. Gerade in einer freien, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft ist die Verschiedenheit von Meinungen, Ansichten und Positionen grundsätzlich nichts Bedenkliches. Ein gewisses Maß pluralisierter und polarisierter Meinungen wird stattdessen als notwendige Voraussetzung einer freiheitlichen Ordnung verstanden, die Toleranz gegenüber abweichenden Ansichten gar zu den soziomoralischen Grundlagen einer modernen Demokratie gezählt. Ein entscheidender Punkt >ist jedoch, dass divergierende Meinungsverteilungen oft mit Formen von Gruppen- und Lagerbildungen einhergehen, die typischerweise mit Konflikten verbunden sind. Ordnet sich ein ausdifferenziertes Meinungsspektrum etwa in zwei Gruppen mit diametral entgegengesetzten Ansichten, Weltanschauungen oder Glaubenssätzen an, kann eine solche antagonistische Konstellation zu einem Freund-Feind-Denken führen – insbesondere dann, wenn eine bestimmte, mit anderen geteilte Anschauung als Teil der eigenen Identität verstanden wird. Personen, die diese Auffassung nicht teilen, erscheinen dann leicht als Bedrohung und ihnen wird entsprechend mit Skepsis, Abwehr und Ausgrenzung begegnet." > Guter Absatz der in meinen Augen ein akutes Problem demokratischer Grundfeste in eine Nussschale packt. Die Reibungspunkte ideologischer Differenzen sind notwendiger Anstoßpunkt demokratischer Prozesse. In pluralistischen Gesellschaften ist diese Prämisse auch naturgegeben und muss nicht herbeizitiert werden. Aus Vielfalt folgt Vielfalt. Und, ein dann folgender Konsens aus solchen Reibungspunkten entspricht nur in Ausnahmefällen einer umfänglichen gemeinsamen Überzeugung die man mit Argumenten herbeiarbeitet, sondern ist in der Regel eine Kombination von Zugeständnissen unterschiedlicher Fraktionen, bei denen nicht alle kriegen was sie wollen, sondern niemand ;) Wenn man aus solchen Reibungen irgendwelche Gut-Böse-Konstruktionen in einem vermeintlich dualen Gesellschaftssystem herbeifantasiert, und weite Teile der Gesellschaft diesen Bullshit glauben und mitmachen, entzieht man der Demokratie als Lösungsvehikel für pluralistische Gesellschaft alle funktionalen Werkzeuge. Kurzum schafft man damit sukzessive Demokratie ab. Der traurige Treppenwitz, nämlich dass ausgerechnet diejenigen, welche gar kein Interesse daran haben am demokratischen Prozess teilzunehmen, die Verbliebenen sind, die von ihrer Geisteshaltung noch zum demokratischen Prozess fähig sind, ist dann nur folgerichtig. Und wenig hilfreich. Imo kann man eine extrapolierte Version dieser auch in Deutschland statt findenden gesellschaftlichen Zersetzung in den USA beobachten, mit einer quasi Pattsituation, allerdings einer bei der sich laut Umfragen schon signifikante Teile beider Lager zu Aussagen hinreißen lassen wie: "Die Welt wäre besser wenn die anderen einfach tot wären." Wohlgemerkt auch bei dieser Umfrage so, dass _beide_ Fraktionen diese Tendenz in starker Ausprägung haben, aber auch da statistisch in der linksideologischen Fraktion etwas höher angesiedelt. Was mich persönlich aber wenig überrascht, weil ich glaube, die Triebfeder hinter rechtskonservativen Lösungsmodellen mit Geschmäckle, eben nicht ein unterstelltes faschistisches Weltbild markiert, sondern überwiegend eher eine Art zynischer Pragmatismus wo man "das falsche" als notwendiges Zweckvehikel begreift um "das richtige" zu erreichen, während umgekehrt oftmals "das richtige" durchaus richtig wäre, die Problematik einer Realisierbarkeit aber gerne verdrängt wird. Der rein ideologisch bewertet "bessere" Mensch hätte es somit auch deutlich einfacher im vermeintlichen Gegner auch die zu tilgende Ursache des eigentlichen Problems auszumachen, als umgekehrt. Aber egal woran das liegt, weder Fragestellungen wie "Wer hat angefangen?" noch Fragestellungen wie "Wer ist schlimmer?" bieten Antworten die auf eine Lösung einzahlen. Meiner Meinung nach bräuchte es vorangestellt eine Bereitschaft zur Mäßigung auf allen Seite, um überhaupt eine Grundlage für einen möglichen Diskurs zu schaffen. Und genau hieran hat weder der rechte noch der linke Rand, der diesen Konflikt unermüdlich befeuert, irgendein Interesse. Endlich hat man Macht, Gehör, eine Gefolgschaft, Präsenz, nach Jahrzehnten wo man für den Großteil der Gesellschaft eine Art peinliche Randerscheinung war für die man sich selbst dann geschämt hat, wenn es inhaltliche Überschneidungen gab. Diese Ränder sind gerade im siebten Himmel und werden einen Teufel tun sich zu mäßigen. Können also kriselnde Volksparteien im gesellschaftlichen Konflikt helfen indem sie einen großen Schritt auf die jeweiligen Ränder zu tun und somit verlorene Schäfchen wieder näher an die Mitte rücken? Hierbei sei auch noch erwähnt, auch wenn Merz aktuell die Schlagzeilen dominiert, so kommt auch die SPD zu ähnlichen Schlüssen, also dass man deutlich nach links rücken müsse. Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Ich glaube, es ist ein Stück weit beliebig wohin die Leute abwandern, ein CDU-Wähler und ein SPD-Wähler kann sowohl im rechten als auch im linken Spekturm eine vermeintliche Heimat finden. Wer sich empört und Vertrauen verliert, der ist "dagegen". Und wenn man gegen etwas ist, dann ist man an beiden Rändern in bester Gesellschaft, und mit dem vermeintlichen Feind auf der anderen Seite, braucht man sich auch nicht damit zu beschäftigen dass man weder hüben noch drüben von Freunden umgeben ist. Das einzige was imo klar scheint ist nur eines, wenn man für diesen Dampf kein Ventil findet über das man diesen Druck ein Stück weit ablassen kann, wird sich dieser Druck früher oder später in einem ziemlich hässlichen Knall entladen. Und wer noch seine Sinne beisammen hat, kann so einen Knall und dessen Konsequenzen unmöglich wollen, egal wo er bei der Wahl sein Häkchen setzt. |
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