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Autor: | token | ||
Datum: | 02.08.23 09:49 | ||
Antwort auf: | Was haltet ihr von der WDR Aktion? von Bozbar! | ||
>Zur Aktion selber: Da halte ich es mit dem Vertreter des Verbraucherschutzes, der auch im Beitrag zu Wort kam, dass gerade die Discounter, die über Jahre die Preise nach unten gedrückt haben, jetzt so eine Aktion starten, kommt mir etwas komisch vor. Da kannst du ja nicht hinter der Gardine schauen und nur spekulieren über Motive und Zustandekommen. Ich finde daran mit den jüngsten Erfahrungen im eigenen Unternehmen wenig komisch. Das Unternehmen selbst ist, wie die meisten anderen Unternehmen eben auch, ein Mechanismus der mit irgendeiner Form von Produkt Kapital erwirtschaften und wachsen soll. Ob es in diesem Vorhaben erfolgreich ist, muss irgendwie gemessen werden. Um Erfolg zu messen, musst du aber die Eckpunkte definieren, was Erfolg überhaupt sein soll. Historisch war es dabei so, dass Erfolge in kurzen Etappen gemessen wurden, und nach einer Messung geblitzdingst wurde. Man startete also wieder bei Null. Hierbei zeigte sich aber zunehmend, dass dieses Messverfahren ein Fehlverhalten provoziert, denn es ist möglich kurzfristig Erfolge zu generieren, die so aufgesetzt werden, dass die Maßnahmen Jahre später explosive Kosten verursachen. Und zwar antizipierbare Kosten zum Zeitpunkt der Entscheidkungsfindung, die ebenso retrospektiv klar auf die Maßnahme rückführbar sind. Also am Ende des Tages Misserfolge sind, für die aber irrsinnige Erfolgsboni ausgeschüttet wurden. Auf hoher Managementebene reden wir dabei bei großen Unternehmen auch von Millionenbeträgen. Speziell nach Subprime fand dann auch einiges statt, bspw. Messzeiträume für Erfolgsboni auszudehnen damit ein Management motiviert wird mit Maßnahmen zu agieren deren Erfolge einem Nachhaltigkeitskonzept folgen, statt diese geradezu zu provozieren, solche Messungen bewusst zu exploiten um sich persönlich zu bereichern und Schäden zu verursachen für welche diese nicht haftbar gemacht werden können. Damit setzte meiner Wahrnehmung nach aber auch ein spürbar weitreichender Prozess ein, bspw. dass in vielen Unternehmen auch eine Corporate Identity eingeführt wurde, also nicht nur dass man auf einmal "Werte" in seinen Katalog aufnahm die nicht primär an "Geld" und "Ertrag" und "Wachstum" aufgehangen waren, sondern so dass die ganze Belegschaft inkludiert wird auf solche Werte einzuarbeiten und auch ein Stück weit deren Erfolge an solchen Werten zu messen. Was wiederum ein deutlich höheres Bewusstsein für solche Werte in der Breite des Unternehmens erzeugt. Man spricht Themen an die keine Rolle gespielt haben, agiert nach Motiven die es früher schlichtweg nicht gab. Warum dieser Exkurs? Zum einen, wir haben uns angewöhnt so über Unternehmen zu sprechen, als seien das irgendwie sich bewusste Wesen, irgendeine Form von handelnden "Personen". Das ist auch kein Zufall, vor Gericht wird ein Unternehmen so behandelt als sei es eine Person, im Marketing versucht ein Unternehmen sich irgendwie mit Adjektiven ins Bild zu schieben die normalerweise bewusst handelnden Personen zugeordnet werden müssen. Man ist cool, oder man ist clever, man ist umweltbewusst, whatever. Das können Unternehmen aber nicht sein, Unternehmen sind Dinge, abstrakte Konstrukte, eine Maschine mit einem Programm ohne irgendeine Art von Bewusstsein für die eigenen Strukturen und darin stattfindenden Abläufe. Es kann genauso wenig cool sein, wie ein Stein cool sein kann, sofern wir mit cool nicht bestimmte Temperaturen meinen. Nichtsdestotrotz arbeiten im Unternehmen Menschen und treffen dort Entscheidungen. Und diese Menschen können natürlich cool, böse, gierig usw. sein. Aber, es ist nicht so wichtig wie diese Menschen ticken, denn ihr Handlungsspielraum wird sehr engmaschig von dem "Programm" des Unternehmens determiniert. Wenn sie nach den Erfolgsmessungsparametern des Programms performant sind werden sie belohnt, wenn nicht, werden sie getauscht. Weitet man dieses Programm jedoch um Werte jenseits kurzfristiger Kapitalgenerierung aus, befördert man schleichend ein Problembewusstsein bei den im Unternehmen handelnden Personen, und eröffnet ihnen zugleich Handlungsspielräume beim Setzen von Impulsen. Kurz, der Mensch in der Maschine kann die Maschine verändern, aber nur wenn die Strukturen der Maschine sowas überhaupt zulassen und/oder motivieren. Und in vielen dieser Maschinen sind solche strukturellen Anpassungen durchaus vorgenommen worden. Teils durch Gesetzesänderungen (sehr viele "böse" Handlungen von Unternehmen werden von Gesetzen quasi vorgeschrieben), teils durch freiwillige Reformen innerhalb von Unternehmen. Die Maschine Penny kenne ich nicht. Aber andere Maschinen die in den letzten Jahren Unternehmenswerte inkludiert haben. Und obwohl ich mir seinerzeit an den Kopf geklatscht habe, weil ich es einerseits unglaublich heuchlerisch fand sich Adjektive auf die Brust zu schreiben mit denen man bei nüchterner Betrachtung absolut nichts am Hut hat, und andererseits auch dachte dass sowas selbst wenn man es ernst meinen würde nichts bewirken kann, hab ich meine Meinung mittlerweile geändert. Weil das imo tatsächlich einen schleichenden Wandel anstößt, wo die Menschen im Unternehmen, die Hebel haben, einfach Menschen wie du und ich sind, Menschen die sich auch Sorgen machen, Familie haben, sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen etc. Und ein aufrichtiges Bedürfnis entwickeln bei den Dingen auf die sie Einfluss nehmen können, und seien sie noch so klein, den Hebel zu ziehen von dem sie denken dass er positiv auf die Dinge einzahlt dessen Fehlentwicklungen Sorgen bereiten. Und diese haben durch diesen (langsamen) Wandel neue Hebel auf diesen Schreibtisch herbeigearbeitet und ziehen an diesen. Kann es sein dass im Penny Marketingraum eine Bande von Zynikern gesessen hat die sich Tränen lachend einen Greenwashing-Publicity-Stunt aus dem Arsch zogen während zwei Prostituierte unter dem Schreibtisch rumkraxelten? Ja, klar. Wäre mittlerweile aber nicht mehr meine erste Assoziation. Zumal so eine Aktion ja nicht in erster Linie so tut als sei man etwas was man nicht ist. Sondern vielmehr etwas entlarvt von dem das Unternehmen eigentlicher Profiteur ist, und wie hier einen der wie ich finde wichtigsten Diskurse anstößt. Nämlich den der Echtkosten, der ja mitnichten auf Lebensmittel verschränkt ist, sondern im Grunde so ziemlich fucking alles betrifft was ein Preisschild trägt. Und diesen Diskurs finde ich genau deswegen so wichtig, weil er einerseits einen riesengroßen Hebel für besseren Umweltschutz stellt, und andererseits gütlicherweise ein Thema ist wo keiner mehr mit irgendwelchen ideologischen Vorbelastungen anzukacken braucht. Es geht hier nicht um Gefühle sondern einfach nur um Zahlen. Wir handeln "wirtschaftlich" unvernünftig, wir nehmen uns damit diese Strukturen zu schützen am Ende des Tages nur Kredite mit Mafiazinsen, sparen also nix sondern zahlen das vermeintlich ersparte x-fach oben drauf. Eine Art Trickbetrug von dem so gut wie niemand etwas hat. Außer höheren Preisen für schlechtere Produkte. |
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