Thema:
Re:Frage zu einem hypothetischen neuen Nazideutschland. flat
Autor: Phil Gates
Datum:18.09.23 11:48
Antwort auf:Re:Frage zu einem hypothetischen neuen Nazideutschland. von FS

>>Was sollen das für Sicherungen sein?
>
>Grundgesetzänderungen benötigt 2/3 Mehrheit und manche Dinge im Grundgesetz können nicht abgeschafft werden. Natürlich kann sich ein Volk bei einer Revolution entscheiden, das gesamte System und alle Gesetze gewaltsam zu zerstören. Auf rechtsstaatlichen Weg kann es kein 3. Reich mehr geben, da die dafür nötigen Befugnisse nicht mehr existieren. Sowas wie das Ermächtigungsgesetz, welches Hitler 1933 einbrachte und de facto die Demokratie abschaffte, geht heute nicht mehr.
>
>Aber Papier ist geduldig und das Ermächtigungsgesetz von 1933 war streng genommen auch ein Verstoß gegen die Weimarer Verfassung, weil diverse Abgeordnete nicht bei der Abstimmung zugelassen wurden.
>
>Beim Grundgesetz sind die Formulierungen aber deutlich schärfer und eindeutiger als bei der Weimarer Verfassung. Anträge auf Änderung des Grundgesetzes, durch die die freiheitliche und demokratische Grundordnung beseitigt würde, sind z. B. unzulässig.
>
>Trotzdem gilt: Die Demokratie, die Volksherrschaft, ist immer nur so resistent gegen ihre Feinde, wie sie Unterstützung im Volk erfährt.
>
>Wenn die Deutschen also in der Mehrheit wieder faschistisch denken und einen Führer oder Monarchen wollen, kann kein gedrucktes Papier das verhindern. Verlieren der Staat und seine Politiker die Unterstützung der Mehrheit, ist die Verfassung in Gefahr, egal wie gut sie rechtlich geschützt wurde.
>
>Darum muss eine Demokratie wehrhaft sein und ihre Werte nicht beliebig aufgeben. Sie muss wenn sie in Frage gestellt wird klaren Widerstand zeigen.
>
>Ich denke da an den in meinen Augen furchtbaren Fehler, den das Oberlandesgerichts
> München 2016 gemacht hatte. Damals wurde Scharia Recht bei einer Scheidung akzeptiert und so demokratische Grundrechte auf dem Thron der vermeintlichen Toleranz geopfert, indem man syrisches Recht auf deutschen Boden anerkannte.
>


Moment. Der EuGH hat nicht generell die Anwendung der Scharia gekippt, nur einer bestimmten Regelung in der Scharia. Deutsche Gerichte wenden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (zwangsläufig) täglich ausländisches Recht an. Bei US-Recht, französischem Recht usw. ist das in der Regel natürlich unproblematisch und juckt niemanden. Die Grenze verläuft da, wo eine Regelung nicht mit dem ordre public vereinbar ist. Das ist etwa hinsichtlich der in der Scharia enthaltenen Strafen für Ehebruch natürlich der Fall. Völlig unproblematisch sind aber die Regelungen zum Güterstand oder Unterhaltsleistungen usw. Die sind vielleicht anders ausgestaltet als bei uns, aber das sind die entsprechenden Gesetze in Spanien oder den USA auch. Dennoch kommen die zur Anwendung. Der EuGH hat folgerichtig nicht die Anwendung der Scharia in Deutschland verboten. Es ging in dem Fall darum, dass im Islam eine Scheidung ohne Einbeziehung staatlicher Behörden bzw. Gerichte möglich ist. Wir trennen Zivilehe und kirchliche/religiöse Ehe. Das Problem ist, dass diese Trennung von Kirche und Staat in der Scharia nicht angelegt ist. Man muss also immer schauen, ob die im Einzelfall in Frage kommende Norm für sich genommen problematisch ist oder nicht. Regelungen zum Zugewinnausgleich und Unterhalt etc. verstoßen nicht gegen den ordre public.


>Schlussendlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Fehlentscheidung aufgehoben. Neben dem Grundgesetz haben wir zum Glück ja auch noch den EuGH als weitere Kontrolle gegen verfassungsfeindliche Aktionen. Wohl einer der Gründe, wieso die Faschos von der AfD und Co. aus der EU raus wollen.


< antworten >