Thema:
Re:Darf ich mal provokant sein?! flat
Autor: Bullitt
Datum:09.10.23 12:50
Antwort auf:Darf ich mal provokant sein?! von Headhunter

>Und ich lasse es nicht gelten, dass viele sagen, alle die AfD wählen sind Nazis. Das ist mir zu engstirnig gedacht.

In diesem Punkt würde ich zustimmen. Die Aussage "AFD-Wähler = Nazis" fühlt sich natürlich gut an, man ist moralisch auf der sicheren Seite. Nur ist es nicht so einfach, da solche pauschalen Kategorien die Unterschiede nur weiter verfestigen, und Ideologie ist bei Vielen nicht der Hauptgrund für die Wahl.

Richtig ist, dass AFD-Wähler zumindest implizit auch faschistische Tendenzen akzeptieren. Wenn sie sich über andere Punkte so stark ärgern dass sie nicht mehr "weiter so" wollen, sind die persönlichen Belange wichtiger.
Nur diesen "Egoismus" muss man einer Mehrheit der Menschen unterstellen. Das Dritte Reich ist noch nicht so lang her, als auch einer sehr große Mehrheit der Deutschen das akzeptiert haben, solange sie selbst nicht betroffen sind.

Auch die Bundesrepublik ist da kein Gegenbeispiel, da die große Zustimmung zur Demokratie parallel mit einem noch nie dagewesenen Wohlstand kam, welcher wesentlich von den Siegermächten finanziert wurde (Marshall-Plan).

Letztendlich stimmen Menschen dann einem System zu, wenn sie den Eindruck haben, ihnen würde es besser als Anderen gehen. Ich will das gar nicht gutheißen; mein Punkt ist nur: das ist eine Gegebenheit, mit der man umgehen muss, da man diesen Umstand nicht loswerden wird.

>IMHO wissen die meisten AfD Wähler NICHT, was wirklich hinter der Partei steht.

Nein, für so blöd halte ich eine große Mehrheit der Bevölkerung nicht.
So ziemlich jeder Mensch weiß mittlerweile, wofür die Afd steht, oder sie wollen es nicht wissen.
Die Ausrede "man konnte ja nicht wissen..." zieht nicht.

>Die sehen sie nur als Gegenpol zur aktuellen Politik, die sie nicht gut heissen.

Klassische Protestwahl halt.

Das Problem ist, dass die Afd die "perfekte" Protestpartei ist, da man mit dieser Wahl praktisch JEDE etablierte Partei ärgern oder in Probleme bringen kann. Von links bis konservativ bekommen alle immer mehr Schnappatmung und/oder kommen auf dumme Ideen, je stärker die Afd wird. Keine andere Partei hat auch nur ansatzweise diese Wirkung.
Wenn dann so Bemerkungen kommen wie "man könnte ja auch DIE PARTEI wählen!", dann muss da wohl eine andere Vorstellung des Begriffs "Protestwahl" existieren.

Ein weiteres, sehr großes Problem ist die Implosion der Linkspartei.
Man muss ihren Positionen nicht zustimmen, um zu erkennen, dass sie ein wirkungsvoller Blitzableiter war, um teils wütende Stimmen in demokratische(!) Politik zu führen. Zum Teil haben die sich selbst verzwergt, aber gerade die CDU hat einen ganz großen Beitrag dazu geleistet, dass die Linkspartei nie als wirklich demokratische Partei angekommen ist, obwohl eine große Mehrheit der Parteimitglieder genau das wollten. Das ständig neu aufgewärmte Narrativ "Linkspartei und Afd sind gleich schlimm" war schon immer Blödsinn, und gerade in Thüringen 2019 wurde es besonders absurd, als im Rahmen dessen Ramelow (der mit seiner Realo-Politik auch in der CDU nicht weiter aufdfallen würde) de facto auf die selbe Stufe mit Höcke gestellt wurde.
So wurde aus der vorgeblich "antidemokratischen Linkspartei" dann eine selbsterfüllende Prophezeiung. Wobei, noch nicht einmal das: Wenn die verstrahlten Idioten rund um Wagenknecht die Mehrheit hätten, dann hätte sie den Laden auch einfach übernommen, anstatt die Partei von innen heraus zu zerstören.

Das Ende vom Lied jedenfalls ist, dass die Afd nun die letzte Partei mit Potential von mehr als 5% ist, welche zumindest _behauptet_, dass sie auch für den Osten stehen würde. Na Prost, Mahlzeit...

>Ich würde mir wünschen, das eine der grossen Parteien die Eier hat und auf die AfD zugeht um eine Regierung zu gründen, also ganz klassische Koalitionsgespräche.

Wot? Übersehe ich hier irgendwelche Ironie?

>Und jetzt kommst: Diese Partei zeigt ganz transparent fuer was die AfD steht, was sie fordern und was das fuer einen Impact auf die Gesellschaft hat.

Das ist doch genau der Knackpunkt - das könnte und vor allem müsste man längst schon tun, aber statt dessen verliert man sich in einer endlosen Empörungsspirale, welche seit Jahren nichts bringt außer der Afd immer wieder neu den "Märtyrer"-Status zu schenken.

Man muss endlich mal sachlich(!) sagen, welche Probleme die Afd-Politik denn lösen würde (Spoiler: gar keine) und welche unbeabsichtigten Nebenwirkungen das haben würde (Spoiler: sehr Viele).
Damit könnte man vielen Protestwählern vermitteln, dass es auch den anderen Parteien zum Einen um tatsächliche Probleme geht statt Ideologie, und dass zum Anderen die Afd auch für unzufriedene Menschen null Vorteile mitbringt.

Dafür braucht man wahrlich keine Koalitionsverhandlungen.

Christian


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