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| Autor: | Lord Chaos | ||
| Datum: | 18.10.24 21:04 | ||
| Antwort auf: | Auswandern - New Game Plus im Real Life von JPS | ||
Stichwort Lebenshaltungskosten - ja, da ist manche Dinge sind billige, allerdings hat die Inflation da auch ganz schön zugeschlagen. Verglichen mit Deutschland empfand ich bei den gängigen Ketten vieles nicht wirklich billiger, manches wie Pflegeprodukte oder Süßigkeiten sogar deutlich teurer. Wirklich billiger ist Fleisch und natürlich Fisch, auch Essen gehen und Dienstleistungen wie Haare schneiden oder ein Bolt/Uber nehmen sind deutlich billiger. Auch lohnt es sich, auf Märke zu gehen, hier sind die Preise oft deutlich billiger als in den Supermärkten, vor allem dann, wenn man saisonal und regional kauft. Teurer ist auch Elektrokram und einen wirklich billigen Handytarif habe ich ebenfalls nicht gefunden. Da mein AG Stromkosten übernommen hat, kann ich zu diesen nicht viel sagen, aber speziell im Winter würde ich von deutlich höheren Stromkosten ausgehen, da ja oft elektrisch geheizt wird. Ach, und das Haschisch ist mit Abstand das Billigste, was ich in meinem Leben je gekauft habe. :D Stichwort Miete - gerade im Ballungsgrossraum Lissabon, Porto und der Algarve haben die Mieten mächtig angezogen, Lissabon ist da kein Stück anders als andere Großstädte. WG Zimmer können sich locker mal uf 300-400 Euro belaufen. Ganze Wohnungen sind da nochmal entsprechend teurer, und da ist nicht wirklich eine Lösung in Sicht. Auch ein Grund, weshalb übrigens viele Portugiesen über Expats keine hohe Meinung mehr haben. Airbnb verschlimmert dazu noch die Situation. Billiger ist es natürlich in ländlichen Gebieten, hier kann man wirklich teils sehr billig wohnen, hat aber dann auch oft entsprechende Strecken in eine größere Stadt. Zum Wohnen generell - die meisten Wohnungen haben keine Zentralheizung, geheizt wird mit Holzöfen oder Radiatoren, und wer denkt, dass man in Portugal keine Heizung braucht, wird im Winter eines besseren belehrt werden, denn dadurch, dass die wenigsten Häuser gut isoliert sind, kühlen die Räume schnell ab und es zieht auch gerne Feuchtigkeit in die Wohnung und damit auch gerne Schimmel. Und mit Schimmel haben sehr viele Wohnungen über den Winter zu kämpfen. Auch kann man im Winter mal mit Stromausfällen rechnen, länger als ein paar Stunden war es aber nie der Fall Stichwort Klima - Frühling und Sommer ist toll, Herbst teilweise, aber im Winter kann es zumindest im Raum Lissabon schon sehr kühl werden, was auch dem Wind vom Atlantik geschuldet ist sowie dem Regen, der echt fies sein kann. Wenn die Sonne allerdings draußen ist, kann man schon einmal im Dezember oder Januar auch mit dem Shirt auf dem Balkon sitzen. An der Algarve schaut das allerdings anders aus. Stichwort medizinische Versorgung - Portugal hat zwar ein öffentliches Gesundheitssystem, in das man als Einwohner auch reinkommt, allerdings krankt das System ziemlich. Zunächst einmal muss man sich in einem Saude dafür anmelden und dann kann es Monate dauern, bis einem der Arzt zugeteilt wird, zu dem man dann in dem Centro de Saude gehen soll. Die Saudes sind auch sehr überlaufen, mehrstündige Wartezeiten sind da normal, und damit meine ich eher 4-5h als 1-2. Auch in Krankenhäusern kann es aufgrund von Ärztemangel zu langen Wartezeiten kommen, auch werden OPs mal gerne verschoben, insofern sie nicht lebensnotwendig sind. Zahnarzt ist übrigens kein Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung, da kann also eine Behandlung ziemlich ins Geld gehen. Ländlich ist die medizinische Versorgung nochmal deutlich schlimmer, Ist man allerdings privat versichert, schaut die Situation anders aus - hier kann man dann in Privatpraxen oder Kliniken gehen, die hoch modern und teils auch sehr spezialisiert sind für Dinge wie Diabetes, was altersbedingt sicherlich nicht unwichtig sein kann. Ich war jedenfalls froh, dass mein AG mich privat versichert hat. ÖPNV - auf dem Land nicht wirklich existent, in Lissabon war es aber okay. Top ist, dass es eine Fahrkarte für 39 Euro gibt, mit der man jedes Verkehrsmittel im Großraum Lissabon bis Cascais nutzen kann, die Karte soll nochmal auf 29 Euro gesenkt werden und künftig auch Regionalzüge beinhalten. Nur Okay deshalb, weil die S-Bahn quasi das letzte Mal irgendwann um 0.00 fährt, dann heißt es bis 5 durchmachen oder sich ein Bolt nehmen, was bei einer Strecke von 30km zwischen 15-25 Euro kosten kann. Die Leute - was ich an den Portugiesen echt mochte, war eine gewisse Entspanntheit, wenn ein Bus nicht kam, dann ist auch nicht geschimpft worden, man hat halt auf den nächsten gewartet. Drängeln gab es auch nicht, auch an der Bushaltestele hat man sich brav in einer Schlange angestellt. Auch an der Kasse im Supermarkt kam es mal zu einem Schwötzchen mit dem Kassierer, ohne dass die Leute ausgeflippt sind oder nach einer weiteren Kasse gerufen haben. Speziell im Umgang mit Expats ist mir aber aufgefallen, dass Portugiesen da teils sehr reserviert waren, verständlich, zu, einen „nimmt“ man ihnen einen Job weg und die Expats sind sicher auch ein Grund für die steigenden Mietpreise, die sich ein Portugiese kaum mehr leisten kann. Freundlich waren die Leute aber immer und was hilfreich ist, gerade im Grossraum Lissabon und in Porto kommt man sehr gut mit Englisch durch. Zu Porto und Lissabon noch - wer sich für die Ecke entscheidet, dem sollten 2 Dinge klar sein. Zum Einen sollte man sehr gut zu Fuß sein, denn in den Städten sind Steigungen, bei denen man sich gefühlt die Lunge auskotzt, von rutschigen Pflastersteinen bei Regen mal ganz zu schweigen. Auch sollte man sich darauf einstellen, dass von Juni - Ende September die Städte wegen Touries wirklich extrem voll sein können, das kann einem schon sehr auf den Zeiger gehen. Generell noch - ich kann nur jedem ans Herz legen, ein paar Monate im Land zu verbringen, bevor man da sich ansiedelt, denn wenn das Urlaubsfeeling mal verflogen ist, kann sich schon eine leichte Ernüchterung einstellen. Ich für meinen Teil fand es spannend, dort zu leben, aber nach ein paar Monaten habe ich Deutschland schon vermisst oder auch, mal Abends in eine Kneipe gehen zu können und die Leute da zu verstehen. So viel man über Deutschland schimpfen kann und so sehr hier manche Dinge nicht richtig laufen, ich seh das ein wenig wie Klilian, dass Deutschland komplett betrachtet, ein wirklich rundes Paket abliefert. Und wer sich dennoch für Portugal entscheidet, dem sollte klar sein, dass es echt dauert, bis man zu den Einheimischen wirklich Kontakte aufgebaut hat, eine Kollegin meinte mal, es hat 2 Jahre gedauert, bis die Nachbarn nicht nur Hallo gesagt haben und man sich nicht mehr wie ein Fremder vorkam. Meine persönlichen Erfahrungen haben jedenfalls dafür gesorgt, dass ich in der Nachschau das Jahr wirklich toll fand, eine Vertragsverlängerung aber dann doch ausgeschlossen habe, weil ich mich einfach langfristig in dem Land nicht zu Hause gesehen habe. |
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