Thema:
Re:Ich versteh die Webseite nicht flat
Autor: magus
Datum:22.10.24 12:39
Antwort auf:Re:Ich versteh die Webseite nicht von suicuique

>>Meine Antwort war als "Witz-Zitat" gemeint, dass ChatGPT selbst verfasst hat.
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>Mein Einwurf jedoch war durchaus ernst gemeint! :)


Ich weiß und deswegen verfasse ich jetzt auch ne ernsthafte Antwort, aber bevor ich unten ausführlich antworte noch ein Hinweis: Mein Witz Zitat war die Antwort auf hellbringer, der meinte "das kann man auch in Excel lösen" als Alternative zu JPS Webanwendung die er mit ChatGPT gebaut hat.

Wenn es darum geht, kann man natürlich alles in Excel lösen. Aber nur weil ich heute noch Faxen kann, ist das nicht automatisch die richtige Lösung, auch wenn es "unkompliziert" erscheint und eine legitime alternative ist Excel, beim besten willen, nicht wirklich. Besonders wenn du auf externe Daten angewiesen bist oder mehr als nur eine Tabelle brauchst in die du was eintippst.

Excel ist nämlich ein Pain in the Ass, wenn es mehrere Abhängigkeiten gibt und alles mit Formeln zu lösen und in einer Excel Datei zu verwalten, mag kurzfristig definitiv eine legitime Lösung sein, aber langfristig schränkt man sich unnötig ein. Ich sage trotzdem aber unseren Abteilungen auch mehr als einmal: "Fangt erst mal mit ner Excel an, sammelt ein paar Daten und nächsten Monat schauen wir uns die mal an!" bevor ich mit denen echte Alternative durchgehe. Wenn es dann nämlich komplexer wird, weil man z.B. bestimmte Dinge anhander Zahlen machen will wie automasierungen zu steuern, stößt man mit Excel sehr schnell an seine grenzen und wer heutzutage noch auf "manuelle Arbeit" setzt in einer Zeit in der sich fast alles mit wenigen Klicks (ohne Code) automatisieren lässt, dem ist wirklich nicht zu helfen. Schließlich muss man dann ja mit VBA anfangen und wer das macht, der schießt sich IMHO selbst ins Knie.

Oder meinst du irgendein angehender Entwickler bringt sich heutzutage noch VBA bei? VBA ist tot und wird seit 1998 nicht mehr weiter entwickelt und da jemanden zu finden, der dir da noch was entwickeln kann, ist schwieriger als einen Webentwickler zu finden der Python, Java, Javascript, Typescript oder PHP kann.

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>Ich kann aber gerne konkretisieren: es hängt natürlich vom Einsatzzweck ab, aber in meinem Bereich wo ich mit sehr individuellen Anforderungen abhängig von vielen Variablen konfrontiert bin, kann ich mir kaum ein Tool vorstellen mit dem ich die nötigen Daten schneller erstellen, zur Weiterverarbeitung aufbereiten und visualisieren könnte als mit Excel (oder Google Sheets meinetwegen!!!11).


Für einen einzelnen User und geringen Datenmange hast du Recht, aber was ist wenn das ganze von mehreren Abteilungen genutzt werden muss und tausende Zeilen enthält?

Von fehlender Daten Normalisierung und redundanten Daten fang ich besser nicht an, weil da sind Excel Tabellen prädestiniert für und die meisten hauen ja alles in eine Tabelle und tippen sich die Finger wund, anstatt zu klicken.

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>Das Ding ist in Anwendungsgebieten in denen viel mit Zahlen hantiert wird wirklich *WIRKLICH* gut.


>Davon ab ist es ausreichend mächtig: du könntest darin (ohne VBA zu bemühen, was ich nach Möglichkeit auch vermeide) jeden notwendigen Algorithmus implementieren (was kein Wunder ist, wo doch die theoretische Informatik seit jeher Turing Maschinen studiert um Aussagen über sämtliche Programmiersprachen treffen zu können - aber ich schweife ab).

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>Ab einer gewissen Datenmenge und Komplexität würde ich es nicht mehr einsetzen weil es dafür sicherlich bessere Lösungen gibt, aber für moderat große Datenbestände mit einer übersichtlichen Komplexität und höchst variable Anforderungen ... da ist Excel wie gemacht für.


Startups in den ersten 1-5 Jahren, oder kleine Unternehmen unter 50 Mitarbeitern.

Jede halbwegs große Bude die ausschließlich Excel als "Backbone" nutzt, bremst sich aber selbst aus.

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>Das Ding ist ja nicht ohne Grund so beliebt wie es ist.


Es ist so beliebt, weil es einem überall beigebracht wird und jeder nutzen kann und darüber hinaus ist es vergleichsweise billig, zu echten Datenbanken und SAP, CRM, ERD, CMS Systemen die nicht nur erlauben Daten in einer Tabelle zu manipulieren, sondern viel mehr wie Automationen die einem das Leben erleichtern.

Ich brauche und nutze Excel täglich und bin dankbar dafür, dass es Excel gibt, besonders weil das tool Xl-connector von Xappex (Excel Add-In) mir meine Arbeit als angehender Salesforce Architect mehr als nur vereinfacht. Für michbust Excel aber ein Werkzeug um Daten aufzubereiten bevor sie in den Systemen landen, die alle Anforderungen erfüllen.

Denn sobald viel mit Zahlen hantiert wird, ist Excel abhängig davon wie fähig der User ist der gerade vor dem Bildschirm sitzt und je mehr Zahlen und Zeilen umso unübersichtlichler wird das Teil.

Ist z.B. sicher gestellt dass Zahlen nicht mehr geändert werden können? Ist sicher gestellt, dass ein ausscheidender Mitarbeiter nicht mal eben ne Excel mit allen Kundendaten auf USB exportiert oder vielleicht sogar per Email rumsendet? Welche Excel Tabelle ist die "Source of Truth"? Wie gelangen die Daten aus der Excel Tabelle in andere Systeme? Wie nutzt man ne Excel Absteilungsübergreifend? Wie nutzt man ne Excel Länderübergreifend?

Eine Excel Tabelle lässt sehr viel Raum für menschliche Fehler und mit jeder Zeile und Mitarbeiter der an einer Excel arbeitet erhöht sich dieses Risiko.

Was Datenschutzbehörde und Datenschützer von Excel Tabellen halten, brauche ich an der Stelle hoffentlich nicht zu erklären.

>Und dieses Beharren darauf hat auch nichts mit Rückständigkeit zu tun sondern weil sich damit ungemein effektiv arbeiten lässt.

Es kommt alles auf den Anwendungsfall und die tatsächlichen Anforderungen an.

In meinem Beispiel ist das beharren auf Excel Rückständig, weil es irrationale Ängste die da im Weg stehen. Es geht nämlich wirklich nur um eine Spalte.

In all meinen Berufsjahren, habe ich, wenn ein Unternehmen auf Excel gesetzt hat, noch keins erlebt das gesagt hat "Wir nutzen Excel weil es das beste Tool ist" sondern eher "Wir nutzen Excel, weil wir es nicht besser wissen" oder "Das haben wir schon immer so gemacht" oder "Läuft doch, warum was ändern?" und wie Stur daran festgehalten wird, ist teilweise der pure Wahnsinn. Besonders weil viele echte alternativen, wissen das Excel soweit verbreitet ist und bereits anbieten, bestehende Excel zu importieren, damit man schneller ins neue System kommt.

Ich könnte wahrscheinlich einen TED Talk machen, über die Rückständigkeit bzw. Sturheit des deutschen Mittelstands (und auch Großkonzernen) und was für ein Produktivitätskiller Excel eigentlich ist und warum es, genau wie Faxgeräte, eine Technologie ist, die so schnell wie möglich zu grabe getragen werden sollte.

Ich hab jedenfalls noch nie erlebt, dass, wenn wir Excel abgelöst haben, jemand gesagt hat "Das lief mit Excel aber besser" oder sie den Wechsel bereut haben. Ganz im Gegenteil sogar. Nach anfänglicher Skepsis, sind alle Feuer und Flamme und man wird zugeschüttet mit "Können wir das auch noch automatisieren?" oder "Wir haben hier ne andere Excel und wollen die jetzt genau so ablösen" und wenn eine Abteilung anfängt anzugeben, was die jetzt alles machen können, stehen die anderen ganz schnell schlange.

Alles in allem: Excel ist auf jeden fall ein legitimes Arbeitsmittel und erlaubt bestimmte Prozesse damit abzubilden und das unterstütze und befürworte ich sogar, aber mit steigenden Anforderungen, sollte man Excel so schnell wie möglich los werden. Sonst landet man in schnell einer Sackgasse, in der man sich unnötig selbst einschränkt.

Ich seh Excel wie so einen alten Pflug, den man hinter das Pferd hängt. Macht bestimmt Sinn für ein kleines Stück land, aber je größer das Feld ist das man umpflügen muss, umso mehr Zeit verschwendet man, wenn man ständig sagt: "Ich brauche keinen Traktor, dass schafft mein Pferd auch mit den Pflug."

Dann braucht man sich am Ende auch nicht wundern, warum die Konkurrenz einen abhängt.

Wenn man aber immer nur klein bleibt, dann würde ich selbstverständlich niemanden empfehlen Excel nicht zu nutzen. Es ist und bleibt ein starkes Werkzeug welche für bestimmte Anwendungsfälle mehr als ausreichend ist. Es wird also noch viele viele viele Jahre genutzt werden und ist auch okay. Hammer und Meißel, werden schließlich bis heute noch genutzt und stehen für mich auf der selben Stufe.

Disclaimer: Ich weiß bereits jetzt, dass es wahrscheinlich den ein oder anderen Excel Profi in den fingern juckt, der mir widerprechen möchte und wahrscheinlich sogar Recht haben könnte, bei bestimmten Punkten. Bevor derjenige Antwortet: Wie viele Excel Profis gibt's in deinem Unternehmen und auch Umfeld, wann war der letzte Excel Release der dir deine/eure Arbeit erleichtert hat und wann hast du das letzte mal ein säufzen gehört als du z.B. sagen musstest "Das geht mit Excel nicht"? ;)


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