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| Autor: | Pfombo | ||
| Datum: | 03.01.25 16:15 | ||
| Antwort auf: | Sorry, erst jetzt gesehen… von Kilian | ||
>>Ernstgemeinte Frage: Warum wird mit dieser Scheiße nicht aufgeräumt!?! Gab es schon Gesetzesentwürfe für ne bundesweite Regelung des Bürokratiewesens und warum wurden die abgelehnt? Das is wie die Schuldenbremse, ich checks nicht und keiner erklärt's mir. > >Das ist eine der negativen Seiten des Föderalismus, der aber - gerade bei uns in Deutschland - trotz allem seine Daseinsberechtigung hat. Historisch begründet er sich aus den vielen Einzelstaaten, die erstmals im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen einen Staatenbund bildeten, und über den Deutschen Bund im Deutschen Kaiserreich mündeten. Um den regionalen Unterschieden und den ihnen innewohnenden Potenzialen gerecht zu werden, wurde den verschiedenen Staaten schon immer eine hohe Autonomie und wesentliche Rechte zur Selbstbestimmung zugestanden. > >Unter den Nazis war dann aber Schluss damit. Um ihre Diktatur bestmöglich steuern und kontrollieren und das Land möglichst effizient in den kollektiven Kriegsdienst stellen zu können, wurden die Selbstbestimmungsrechte weitgehend abgeschafft und u.a. die Bürokratie zentral gesteuert. > >Es war eine der wesentlichen Lehren aus dem Krieg, dass für eine funktionierende, stabile Demokratie ein föderalistisches System mit Dingen wie der Gewaltenverschränkung, d.h. Bund und Länder kontrollieren sich gegenseitig (Bundesrat als Vertretung der Länder und wesentliche Hürde bei der Gesetzgebung) und nicht nur der Bund die Länder, nötig ist. > >Dazu ist in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert, dass der Föderalismus das grundlegende Organisationsprinzip der Bundesrepublik Deutschland bildet und die Eigenständigkeit der Länder in bestimmten Bereichen wie Bildung, Polizei oder Kulturpolitik garantiert wird. (Denk nur mal darüber nach, wie eine zentrale Steuerung dieser Bereiche von Parteien wie der AfD missbraucht werden könnte.) > ICH VERSTEHE, ich bin nun schlauer! >>Klar, am Ende sind's wohl wieder irgendwelche Partikularinteressen der Länder, oder übersteigerter Autonomiewille. Aber fuck, das kanns doch nich sein! Bürgerzufriedenheit, Logik und Effizienz MÜSSEN doch viel schwerer wiegen! Was soll das? > >Siehe oben. :) > >Ich persönlich finde, es hakt in der Kompetenz der einzelnen Länder. Manche Länder haben es - blöd gesagt - einfach besser drauf und ihre Verwaltung nicht kaputtgespart. Über Bayern bspw. lässt sich viel schimpfen, aber die Verwaltung ist hier wesentlich besser als in anderen Bundesländern, zumindest gilt das für die Bereiche, mit denen ich bisher zu tun hatte. Drei Beispiele: > >Als Schüler habe ich bis zu meinem 14. Lebensjahr in NRW gelebt und bin dann mit meiner Familie nach München gezogen. In NRW war zwar das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern wie Eltern deutlich besser und „freundschaftlicher“, aber so wie ich in NRW unterwegs war, weiß ich nicht, ob und wie ich mein Abi bestanden hätte. Damals gab es in NRW noch kein Zentralabitur, d.h. die Lehrer konnten sehr viel „schlampiger“ sein bei der Stoffvermittlung als in Bayern. Dort herrschte ein viel disziplinierteres Klima an der Schule, mit regelmäßigen unangekündigten Tests in fast allen Fächern, streng geführtem Klassenbuch etc. Ich hab hier kein brillantes Abi hingelegt, aber es hat fürs Architekturstudium an der TU München gereicht. Und in der 11. Klasse war ich als Schüler ein Jahr in Japan, was u.a. dank der großen Unterstützung meines strengen aber fördernden Deutschlehrers möglich war. > >Als Student in München habe ich sehr von der hervorragenden Ausstattung und dem internationalen Netzwerk meiner Uni profitiert. Mein Bruder war für dasselbe Studium in Hessen und NRW - und es war in keinem Bereich (Qualität der Lehrkräfte, Betreuung, Ausstattung, Förderung etc.) auch nur annähernd auf dem Niveau, das mir geboten wurde. Es ist leider ein Irrtum, anzunehmen, dass die verschiedenen Bundesländer ihren Bürgern dasselbe (Aus-)Bildungsniveau bieten. > Ich ging in Hessen zur Schule und darum bin ich dumm, vielen Dank auch! Aber scheiß drauf, ich kann auch lernen :) >Als Architekt hatte ich mit öffentlichen Bauherren u.a. in Bayern aber auch in Niedersachsen zu tun. Der Unterschied zwischen den Ländern war wirklich erschreckend - in Niedersachsen war die Verwaltung kaputtgespart und wurde mit Inkompetenz und Dummheit ersetzt. Das könnten theoretisch Einzelfälle gewesen sein, aber der Austausch mit Kollegen anderer Büros hat das bestätigt. > >Seitdem ist mir klar: Eine schlanke Verwaltung mit niedrig eingruppierten (= schlecht bezahlten) Beschäftigten ist Sparen am völlig falschen Ende. Die Ineffizienz und Inkompetenz, die man sich als Gemeinde oder Land damit einhandelt, kostet direkt und indirekt (Stichwort: Bürgerzufriedenheit, Politikverdruss) ein Vielfaches dessen, was gut ausgebildete, motivierte Leute kosten würden. > Na da kann ich nur zustimmen. >Natürlich ist in Bayern nicht alles besser, aber viele wichtige Bereiche wie Bildung oder der bürokratische Apparat eben schon. Nicht zuletzt der wirtschaftliche Erfolg dieses Landes mit seiner Entwicklung vom abgehängten Agrarstaat zum boomenden Alleskönner (ohne größere Abhängigkeit von einem bestimmten Wirtschaftszweig) beweist das. Noch mal danke, das war ne richtig geile Antwort. Und jetzt hab ich auch genug Ankerpunkte, wo ich selbst weitergooglen kann, wenn ich will ヽ(*゚ー゚*)ノ |
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