Thema: |
|
||
Autor: | token | ||
Datum: | 20.01.25 11:44 | ||
Antwort auf: | Synästhetiker hier? (Montag = rot) von Pfombo | ||
Ich hör davon zum ersten mal, als ich das Vid noch nicht gesehen hab und nur den Text las dachte ich erstmal du bist stockbesoffen ;) Davon ab überrascht es mich aber auch nicht groß dass es so ein Phänomen gibt, weil Gehirne ey!11 Was sich im Oberstübchen abspielt ist schon ziemlich bekloppt, und vor allem, wie uns unser Gehirn den Zugang zu ganz vielen Fähigkeiten die es hat teilweise komplett verbaut, zum Teil auch verbauen muss weil wir sonst überhaupt nicht klar kämen. Als einfachstes Beispiel, in jedem Gehirn läuft eine Art Unreal Engine die abstrakte Informationsfetzen unterschiedlichster Natur in einen Wahrnehmungsraum übersetzt. Was du fühlst, riechts, spürst und siehst wird von Sensoren deines Körpers aufgenommen, dann in eine Art Datenstrom konvertiert der zum Gehirn gebracht wird, und das Gehirn baut daraus deinen Wahrnehmungsraum zusammen. Alles was wir da sehen und empfinden ist am Ende des Tages ein persönliches Konstrukt und existiert nur in unserem Kopf. Es zeigt nicht die Welt wie sie in wahrer Natur ist, es ist eine Interpretation die vom Gehirn vorgenommen wird, hierbei jedoch den tatsächlichen Prozess wie es das tut in vollem Umfang vor uns versteckt. Was in uns erstmal die intuitive Illusion erzeugt, es fände überhaupt keine Übersetzungsleistung statt, sondern das ist halt alles "echt" und für jeden "gleich". Dabei ist es nicht nur nicht "echt" und nicht "gleich", es ist nicht mal das was akut um uns herum passiert, sondern ein Bild aus der Vergangenheit, denn dieser Übersetzungsprozess ist ja keine ätherische Magie sondern ein Prozess und braucht Zeit. Das was unsere Sensoren aufnehmen muss ja zum Gehirn transportiert werden, hierbei vergeht Zeit. Und dann muss aus diesem Datensalat der Wahrnehmungsraum zusammengesetzt werden, auch das braucht Zeit. Dieser "Lag" ist klein genug und muss auch klein damit das Konzept überhaupt funktioniert, als das wir ihn nicht wahrnehmen, aber natürlich ist er da. Entsprechend stellen sich schon einfachste Fragen, wie, ist mein grün auch dein grün. Dabei kann man sowas schon leicht auf die Schliche kommen, ich hab etwa eine rot-grün-Schwäche, schaue ich und jemand anderes ohne dieses Problem auf das Farbklecksmuster beim Augenarzt, dann schauen wir auf das gleiche Objekt das außerhalb von uns ist wie es ist, dennoch sehen wir dabei etwas komplett unterschiedliches. Jetzt könnte man sagen, hachje, halb so wild, du hast da halt einen gewissen Defekt, aber ein Phänomen wie Synästhetik zeigt ja dass die Unterschiede in Wahrnehmungsräumen noch viel viel weitreichender sind. Launen der Natur die in unterschiedlichste Richtungen laufen können. Eine dieser Richtungen ist hierbei auch die Fähigkeit zu abstrakten Konzepten. Das ist ja etwas das aus uns heraus kommt, etwas was wir machen, etwas von dem wir nicht wirklich wissen ob es das überhaupt gibt, ob das auch außerhalb von unserem Verstand existiert. Klassisches Beispiel ist Mathematik. Das ist ein vollends abstraktes Konzept. Aber was ist die Natur dieses Konzepts? Ist Mathematik etwas das wir durch einen höheren Bewusstseinszustand entdeckt haben und nun erforschen, oder ist es ein Konzept das wir uns ausgedacht haben, und das aus dieser Welt verschwindet wenn die Menschheit stirbt? Und laut gedacht, scheint mir, dass Synästhetiker genau auf solche abstrakten Konzepte ganz anders reagieren. Irgendetwas in uns muss ja diesen gigantischen Pool an allen denkbaren Daten irgendwie interpretieren und dabei gewisse Dinge tun. Eines dieser Dinge ist Dinge miteinander zu verknüpfen. Dabei sind im Pool verknüpfbarer Eigenschaften natürlich auch sensorische Eigenschaften. Farben, wie fühlt sich etwas an, wie hört sich etwas an, wie riecht etwas. Aber, etwas das abstrakt ist, hat keine sensorischen Eigenschaften. Deswegen ist es ja abstrakt. Es ist eine Idee und kein "Ding". Und was auch immer da werkelt und diese Verknüpfungen macht scheint mir zu bei Menschen wie dir zu sagen, fuck it, Verknüpfungen sind mein Job, ich mache sensorische Verknüpfungen, auch diese abstrakten Konzepte nehme ich und verknüpfe sie irgendwie mit sensorischen Eigenschaften, obwohl sie diese gar nicht haben. Eben Zahlen, Muster, aber auch andere Konzepte wie Kategorien (Holz, Metall) oder persönliche Erfindungen (Wochentage). Da diese Konzepte solche Eigenschaften nicht haben, sind die Interpretationen auch uneinheitlich. Dennoch würde ich mutmaßen, wenn ich höre dass diese Verknüpfungen über die Lebenszeit stabil bleiben, dass sie nicht random ausgewürfelt werden, sondern dass sie im Gehirn des Rezipienten reproduzierbar sind, also das auch dahinter wie diese Verküpfungen hergestellt werden irgendeine Art von Konzept/Verfahren/Formel steht, die aber für den Rezipienten unsichtbar bleibt. Wir bekommen in unserem Bewusstseinsraum halt immer nur die Ergebnisse, aber uns ist komplett verschlossen wie diese Ergebnisse konkret produziert werden. Das können wir bestenfalls mehr oder minder reverse engineeren, wir können uns selbst nicht aus uns heraus dabei "beobachten" was "wirklich" im Kopf passiert. Und würden ohne diese Firewall im Kopf wahrscheinlich auch aus dem Stand verrückt werden. Diese, ich nenne sie mal Automaten, im Kopf, sind jedenfalls unglaublich spannend. Eines der für mich intensivsten Erfahrungen die mein komplett Weltbild regelrecht erschüttert hat, war der Konsum von bewusstseinsverändernden Drogen. Da war also Alice im Wunderland, und dann war ich wieder nüchtern, und das mit dem Erlebnis verbundene WTF hat mich dann komplett aus den Socken gehauen. Dabei war es nicht das Erlebnis als solches was mich verrückt gemacht hat, sondern die Frage danach wie und warum sowas überhaupt passiert. Denn rational wusste ich ja, nichts davon war "echt", wie also kommt SOWAS bitte zu Stande? Dann hab ich mal einen befreundeten Arzt dazu angesprochen dass mich das kirre macht und ich mir nicht erklären kann warum das passiert. Weil, es ist alles so echt und in sich schlüssig, hatte für mich also was irgendwie esoterisch, nicht wie ein Fehler, sondern fast schon als würde man einen Blick hinter einen verborgenen Schleier werfen, wie etwas das wahr ist und sich vor uns versteckt wenn wir nüchtern sind. Und er versuchte es mir so zu erklären. Da ist also eine Art Konstruktor in deinem Kopf. Der baut deinen Wahrnehmungsraum aus allen denkbaren Daten zusammen. Der macht das permanent halt so wie er das macht. Die Substanzen die solche Effekte auslösen führen nun unter anderem dazu dass Synapsen in deinem Kopf einfach anfangen wild zu feuern. Es entsteht ein chaotisches Feuerwerk im Gehirn, ein Teil der Daten sind dabei wie üblich sensorische Informationen, aber da mischt sich halt eben auch dieses wilde Rauschen rein. Der Konstruktor ist aber kein bewusstes organisiertes reflektierendes Wesen das sich diesen Müll anschaut und dann sagt "Computer, was sehe ich da für einen Mist?" Da wird kein Videosignal kurz abgeschaltet, kein Reboot gemacht, kein Patch eingespielt. Es gibt einen Job. Nimm das und mach daraus was du immer machst und so wie du es immer machst. Konstruiere daraus einen Wahrnehmungsraum der für den Rezipienten das den gewohnten Sinn ergibt und in dem er sich orientieren kann. Da ist also zum Teil die tatsächliche Sensorik, aber eben auch dieser Kadderadatsch dazwischen, und der Konstruktor nimmt das jetzt und versucht daraus einen Wahrnehmungsraum zu bauen. Und das Ergebnis ist der Trip, der zum Teil aus Sensorik besteht, also das was um dich herum passiert und irgendwie von dir gemessen wird, aber eben auch einem Katalog aus chaotischem Blödsinn der irgendwie interpretiert werden muss, und da wird das halt in den Wahrnehmungsraum eingewoben und was nicht passt passend gemacht. Und das ist halt immer, auch wenn man nüchtern ist, eine äußerst selektive Interpretation in der noch einiges mehr passiert. Der Großteil wird eh rausgefiltert, aber auch Unschärfen in der Wahrnehmung die mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas sind, können wie ein Echtbild erscheinen. Das alles muss ja auch wie gesagt sehr schnell gehen, alle Ressourcen sind endlich, natürlich die Zeit die so ein Prozess in Anspruch nehmen darf, aber natürlich auch die processing power des Gehirns die ja auch kein unendlicher magischer Pool ist aus dem man nach belieben Schöpfen kann. Und um zum Thema zurück zu kommen, gehört zur Evolution eben auch, dass ständig Varianzen entstehen und diese Varianzen dann Features und Flaws haben. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass innerhalb einer Spezies selbst fundamentale Funktionsweisen wie Denken und Wahrnehmung Abweichungen mitbringen, wo wir uns zwar ähnlich sind, und wo wir als Geschöpf in unserer Umwelt gewisse Strategien und Ergebnisse generieren, aber diese durchaus uneinheitlich generiert werden. Und daraus können halt auch zufällig Flaws und Features entstehen, die dazu führen dass wir bestimmte Dinge besonders gut können, und bestimmte Dinge vielleicht auch besonders schlecht ;) So scheint die zwanghafte Verknüpfung abstrakter Konzepte mit sensorischen Eigenschaften erstmal komplett sinnfrei, weil sie ist halt ein Stück weit eine persönliche Erfindung, nichtsdestotrotz kann auch aus sowas im Zusammenspiel mit anderen Gehirnfunktionen zufällig ein Feature entstehen. Weiter unten wurde ja bspw. schon angesprochen, dass es Erinnerungstechniken gibt die darauf passieren das was man erinnern möchte mit etwas anderem zu verknüpfen, das man sich besser merken kann. Nur sind das auf der einen Seite bewusste Techniken, wohingegen du dich ja gar nicht dagegen wehren kannst dass das passiert und auch nicht steuern kannst wie es passiert. Ich glaube, ich persönlich bin da mit meinem albernen Schwamm in der Rübe an einem ganz anderen Ufer. Anstatt irgendwas zu verknüpfen versuche ich permanent, und das auch nicht bewusst, das passiert einfach, alles zu dekonstruieren und das zu erkennen was wesentlich ist. Konzepte, Muster, Prozesse, Schnittstellen usw. Also einfach alles in ein kompaktes abstraktes Konzept zu zwängen das möglichst auf das absolut wesentliche reduziert ist. Solche Dinge kann ich mir auch gut merken, generell hab ich ein gutes Erinnerungsvermögen für abstrakte Dinge, auch Zahlenfolgen oder sowas. Dafür hab ich aber auch abstruse Flaws wo ich mir auch ein Stück weit richtig behindert vorkomme und mich zuweilen auch sehr schäme und versuche sowas vor meinen Mitmenschen mit Ausweichstrategien zu verstecken. Ich habe tausende Namen im Kopf und ich kann auch Gesichter irgendwie abrufen und merken. Aber die Verknüpfung Namen zu Gesicht? Das kann man keinem erzählen, da arbeite ich teils zehn Jahre mit einer Person regelmäßig zusammen, dann geht die sechs Wochen in Urlaub, steht wieder vor mir, und ich komm ums verrecken nicht mehr drauf wie sie heißt weil mein Gehirn bei der Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" aus welchen verfickten Gründen auch immer meint sowas mit dem ganzen Müll rausbringen zu können. Oder andere Features die halt grundsätzlich da sind, welche mir meine Rübe aber einfach versperrt. Etwa konkretes Vorstellungsvermögen. Nicht Muster oder Konzepte oder Formeln oder Herleitungen, einfach Dinge. Dabei kann mein Gehirn das. Weil ja schon der Wahrnehmungsraum eine komplette Konstruktion ist. Spiele ich mit Klarträumen rum, bin ich auch fucking Neo und sehe die Matrix, kann Dinge bauen, abreißen, erfinden, mit teils irrwitzig vielen verschwenderischen Details und da auch keine flüchtigen sondern ziemlich stabile Räume bauen. Ich kann auch sehr leicht in Trancezustände gebracht werden, wo ich auch Zugriff auf diese Skills habe. Aber wenn ich wach bin? No fucking chance. Einfach nur Blitzlichter die ganz kurz erscheinen und sofort wieder verschwinden. Ist für mich einfach komplett zugesperrt auf sowas im Wachzustand zugreifen zu können. Nuja, genug geschwurbelt :) Jedenfalls Danke für den Thread, wieder was gelernt. |
|||
< Frameset laden | antworten > | |||
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | | Mobile Apps | maniac-forum.de |