Thema:
Re:Das Tempo in den USA/China - was passiert mit der EU? flat
Autor: _bla_
Datum:22.01.25 23:19
Antwort auf:Das Tempo in den USA/China - was passiert mit der EU? von Rocco

>Die EU stellt hingegen vor nicht all zu langer Zeit ein neues Regulierungspamphlet, den "AI Act", vor, der gefühlt (ich habe es nicht gelesen) jeder Entwicklung in dem Bereich bürokratische Hürden in den Weg schmeisst, mit welchen sich dann wiederrum - wenn überhaupt - nur die großen Institutionen/Unternehmen auseinandersetzen werden können. Mal von den strukturellen Problemen (z.B. Energiekosten für AI) ganz zu schweigen.

Strompreise sind aktuell eher nicht so das große Problem. Eine H100 braucht bspw. maximal 700 Watt, Industriestrompreis in den USA liegt ungefähr bei 8 statt 16 cent pro kWh, selbst wenn die Karte die ganze Zeit mit Vollast laufen würde (was sehr unrealistisch ist) sparst du da gerade mal 500 Euro pro Jahr, die Karten liegen aber bei 30000 Euro pro Stück. Der Preis der Hardware ist da einfach wesentlich relevanter. Wenn die Karte in der Cloud mietest, zahlst du etliche Dollar pro Stunde, obwohl der Energieverbauch maximal wenige Cent beträgt.


>Aber selbst wenn die EU auch xhundert Milliarden investiert, ist für mich (achtung, Vorurteil) absehbar, dass es dazu eigentlich nicht die passenden Unternehmen und Material gibt, die so eine Mammutsaufgabe effizient auf den Weg bringen könnten. Wir haben kein OpenAI, Microsoft, Nvidia usw - wer soll das denn machen? Und vor allem in der notwendigen Geschwindigkeit, um mit USA und China Schritt zu halten?
>Die Umsetzung eines EU-Projekts a la Stargate kann ich mir jedenfalls aktuell kaum vorstellen. Gemeinsam mit den vielen anderen Herausforderungen weiss ich auch nicht, wie die EU, getrieben von der beschleunigten Entwicklung in den USA (und auch China), aktuell auf einen grünen Zweig kommen will. Wer kann/mag Hoffnung machen?


Hier! Ich! Ich arbeite ja selbst in dem Bereich und sehe das Ganze durchaus positiver. Es gibt keinen Grund das ganze Feld abzuschreiben, sondern mit einer guten Strategie könnte die EU imho erheblich aufholen.

Und nun zur Begründung: Bis vor kurzem sah es noch so aus, als ob OpenAI einen riesigen Vorsprung vor allen anderen Firmen hätte, inzwischen gibt es aber sehr viele Modelle, die mit dem original GPT-4 mithalten können oder sogar wesentlich besser sind.
Besonders hervorzuheben ist dabei DeepSeek-R1, was sogar mit den neusten Modellen von OpenAI mithalten kann, wo die Gewichte und große Teile der Trainingsstrategie offen gelegt wurden und was von einer eher kleinen chinesichen Firma für wenige Millionen trainiert wurde. China ist dabei vom Zugriff auf die neuesten und besten GPUs ziemlich abgeschnitten und hat damit zusätzliche Nachteile, die Europa nicht hat. Das Beispiel zeigt, das sich mit Kreativität vieles erreichen lässt und auch eine Firma, die viel weniger Resourcen zur Verfügung hat als bspw. OpenAI, Google oder Meta, dennoch ähnliches erreichen kann. Diese Entwicklung gab es vorher schon in vielen anderen Bereichen der AI. Vor einigen Jahren, war es noch anspruchsvoll gute Modelle für Objekterkennung zu trainieren, inzwischen ist das ein Standardding, was in wenigen Stunden auf Consumerhardware für ein paar tausend Euro realisiert werden kann.

Wir haben in Europa in vielen Bereichen nicht die großen Konzerne, sondern eher die innovativen mittelständischen Unternehmen, die in irgendeiner Nische top sind. Es gibt auch ein paar Beispiele im AI Bereich, wie bspw. Blackforest Labs mit ihrem Flux Bildgenerator oder auch DeepL. Europa hat sehr viele richtig gute Universitäten mit hohem Anspruch.

Europa muss imho dafür sorgen, dass AI auch für die vielen kleineren Unternehmen zugänglich bleibt. Firmen wie Google, Amazon oder Microsoft bauen ihren eigenen Chips für AI Inferenz, aber verkaufen diese dann nicht, sondern nutzen sie nur für ihre eigenen Rechenzentren. Europa sollte hier einen "Open-Source" Ansatz fahren und einen modernen Inferenzchip und die passende Software entwickeln und ihn öffentlich freigeben.
Dieses Modell passt viel besser, zu den kleineren Firmen in Europa, die den Aufwand für eine Entwicklung von Anfang sich individuell nicht leisten können. Gleichzeitig würde es die Macht von Unternehmen wie NVidia stark einschränken. Auch wenn das neuste und tollste Model vielleicht in Zukunft immer noch von OpenAI, Meta und co. kommen wird, wird der wirtschaftliche Wert von AI hoffentlich häufig eben auch von kleineren Unternehmen realistiert, denen in ihrem Bereich ein Nische auffällt, die bisher noch nicht besetzt ist. Die Leistung wird oft eben auch in dem identifizieren solcher Nischen liegen und bspw. in der Kombination aus Maschinenbau und AI. Und oftmals wird dafür eben auch AI reichen, die einfach nur gut genug ist, das allerneuste Modell wird oftmals einfach nur Geld und Stromverschwendung sein aber keinen wirklichen Zusatznutzen mehr bieten.

Zusätzlich:
1. China hat wohl auch deshalb eine erfolgreichen Techsektor, weil sie amerikanischen Konzerne von ihrem Markt ferngehalten haben und so inländischen Firmen eine Chance gegeben haben, sich zu entwickeln. Europa muss da auch etwas weniger zurückhaltend werden. Warum erlaubt man bspw. amerikanischen Konzernen das Tracking von Nutzern zu Werbezwecken? Davon profitieren primär Firmen wie Google und Meta, die mit der Vermittelung von Werbung sehr viel Geld verdienen, obwohl der Content dazu meistens in Deutschland erstellt wurde und die Verlage ums überleben kämpfen. Gäbe es das Tracking der User für Werbezwecke nicht, würden Werbung eher gerade dort geschaltet, wo die Inhalte eine werblich interessante Leserschaft versprechen.
2. US Firmen profitieren stark davon, dass sie mittels Aktienoptionen sehr hohe Gehälter zahlen können ohne dafür tief in die Bargeldtasche greifen zu müssen. Hier sollten die europäischen Staaten nachbessern, einerseits sollten Anreize geschaffen werden, Kapital in Europa zu investieren anstatt damit den US Aktienmarkt weiter zu stärken, bspw. geringere Steuern auf Kapitalerträge in Europa erzielt wurden und andererseits auch durch attraktive Regelungen für die Zahlungen von Gehaltsbestandteilen durch Aktien(optionen).


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