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| Autor: | FS | ||
| Datum: | 02.03.25 10:52 | ||
| Antwort auf: | Süddeutsche spricht von einem "Fehler" Selenskijs von Doki Nafaso | ||
Ich denke, man muss etwas historisch werden, um das aktuelle Scheitern einordnen zu können. Situation: Russland hat die Ukraine zweimal überfallen: 2014 mit der Annexion der Krim und vor drei Jahren mit einem großflächigen Angriff auf den Rest des Landes. Der Aggressor ist Russland, das Opfer die Ukraine. Begründung Russlands: Die Euromaidan-Revolution von 2014 sei undemokratisch gewesen, lediglich ein Staatsstreich. Der einzig legitime Volksvertreter sei Wiktor Janukowytsch gewesen, eine russische Marionette. Alles, was unter Petro Poroschenko und später Wolodymyr Selenskyj geschah, seien demnach illegitime Handlungen russlandfeindlicher, vom Westen gesteuerter Putschisten. Russland behauptet, es helfe nur den Russen in der Ukraine, sich von Unterdrückung zu befreien. Zusätzlich sah Russland die ukrainische NATO-Annäherung als direkte Bedrohung seiner Sicherheitsinteressen. Auf realpolitischer Ebene entwickelte sich die Ukraine unter Selenskyjs Führung, die Korruption und damit russischen Einfluss bekämpfte, zunehmend zu einem potenziellen wirtschaftlichen Konkurrenten. Sie gefährdete perspektivisch den russischen Gasverkauf nach Europa durch das Transitland Ukraine und standen auch davor, künftig der EU eine direkte Alternative durch Eigenförderung von Gas aus der Ostukraine anzubieten. Das wollte Putin verhindern. 2014 und die Reaktion des Westens: Damals hatte der Westen mehr Angst, die Beziehungen zu Russland zu beschädigen, als das internationale Recht durchzusetzen. Zwar wurde der Überfall auf die Krim beklagt, doch die Ukraine erhielt keine aktive Hilfe, um das Gebiet zurückzuerobern. Hier zwei Artikel, die die Reaktionen von Obama, Merkel und Co. damals beleuchten könnten: [https://www.dw.com/de/ukraine-krise-obama-und-merkel-setzen-auf-diplomatie/a-18246827] [https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/obama-will-der-ukraine-keine-waffen-liefern-13161125.html] Die Haltung war vorsichtig und zurückhaltend – aus Sicht der pro-europäischen Ukraine eine Enttäuschung. Die Krim bleibt bis heute annektiert und die Ukrainer merkten sich damals: Verhandlungen und Worte bringen gegen Putin nichts. Also rüsteten sie so stark auf, wie es ihnen möglich war. Trump und die Wende: Unter Donald Trump genehmigten die USA 2017 erstmals den Verkauf tödlicher Waffen an die Ukraine, darunter Javelin-Raketen. Allerdings wollte Trump im Gegenzug belastendes Material gegen Joe Biden und versuchte, die Ukraine zu erpressen, indem er 400 Millionen Dollar Militärhilfe zurückhielt. Das ging schief, doch letztlich bekam die Ukraine die Waffen. Dies war ein Wendepunkt und einer der Gründe für die Überraschung im Jahr 2022. Februar 2022: Russland ging davon aus, dass die EU ohnehin zerstritten war – etwa durch die Syrien-Flüchtlingskrise und die unterschiedlichen Asylvorstellungen osteuropäischer Länder. Das schien die perfekte Gelegenheit für einen Blitzkrieg gegen die Ukraine, um Nägel mit Köpfen zu machen. Es wurden sogar Paradeuniformen in den Panzern gefunden – man erwartete einen Fünf-Tage-Konflikt. Doch dank starker Aufrüstung der Ukraine mit US-Waffenlieferungen, konnte die Ukraine den Angriff zurückschlagen. Neben US-Waffen spielten britische NLAWs und türkische Bayraktar-Drohnen eine Schlüsselrolle beim ukrainischen Widerstand. Über Nacht wurde die zerstrittene EU solidarisch, und die Ukraine erhielt Hilfen aus aller Welt. Putin musste seine ganze Strategie neu aufbauen. Den weiteren Kriegsverlauf kennen wir. Das alles muss man im Hinterkopf behalten, um Selenskyjs Haltung zu verstehen. Trumps aktuelle Sicht: Trump sagt nun, ein Rohstoffdeal könne die USA entschädigen, langfristigen Zugang zu Bodenschätzen sichern und durch die Präsenz amerikanischer Firmen auf ukrainischem Boden eine Sicherheitsgarantie schaffen – Putin würde es dann nicht wagen anzugreifen. Selenskyj entgegnet, dass US-Firmen schon früher auf der Krim und in der Ukraine präsent waren, als die Überfälle geschahen. Er betont, dass man Putin nicht trauen könne, Verträge oder internationales Recht zu respektieren. Er fordert mehr: eine klare Verpflichtung der USA, aktiv zu helfen, falls Putin einen Waffenstillstand bricht – sollte es dazu kommen. Trump empfindet das als dreist und undankbar. Für ihn ist alles ein Deal. Dass es um Menschen, Heimat, Freiheit und Selbstbestimmung geht und nicht nur um finanzielle Interessen, scheint er nicht zu begreifen oder nicht begreifen zu wollen. Er meint, Selenskyj solle froh sein, durch den Deal ein Stück Land zu behalten, statt alles zu verlieren. Den Rest der Ukraine könne er abschreiben, dafür habe er einen Wirtschaftspartner und könne den Wiederaufbau starten. Putin werde sich schon an den Deal halten, wenn Trump ihn streng ermahne – eine massive Selbstüberschätzung meiner Meinung nach. Selenskyjs Kritik, dass sich solche Annahmen in der Vergangenheit als falsch erwiesen haben, sieht Trump als Respektlosigkeit und Anmaßung. Druck auf Selenskyj: Dem ukrainischen Präsidenten läuft die Zeit davon. Die Ukraine kann nicht ewig so weitermachen – die Soldaten werden schwächer und weniger. Er drängt auf schnelle Lösungen und konkrete Zusagen. Trump fühlt sich gedrängt und blockiert nun komplett. So kann er auch ein Scheitern der Verhandlungen Selenskyj in die Schuhe schieben. Er kann die Legende vom Friedensfürsten Trump aufrecht halten, der einfach von einem Kriegslüsternen Selenskyj verhindert wurde. Ausblick auf Rolle der EU: Die EU muss nun die Scherben aufsammeln und die Aufgaben übernehmen, die bisher die USA im Konflikt gestemmt haben. Zwar gibt es ständig Lippenbekenntnisse zur Solidarität und die EU hat bis 2025 ca. 88 Milliarden Euro (auch in Material) bereitgestellt, doch ich befürchte, dass sich die EU nun klammheimlich aus dem Konflikt zurückzieht. Zu wenig konkrete Hilfe könnte die Ukraine zur Kapitulation zwingen und dieses hässliche Kapitel auf furchtbare Weise beenden. Die Ukraine wäre dann das Bauernopfer im Mächteschach, während die EU sich aufrüstet und abschottet, damit kein NATO-Land dasselbe Schicksal erleidet. Putins Triumph: Putin wäre der lachende Dritte, der sich danach alle nicht-NATO-Länder Osteuropas einverleiben könnte. Die Nachkriegsordnung nach dem 2. Weltkrieg ist vorbei. China wird danach auch das Taiwan Problem "lösen". |
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