Thema:
Re:Schäbige Bild-Zeitung :( flat
Autor: JPS
Datum:09.04.25 12:10
Antwort auf:Re:Schäbige Bild-Zeitung :( von thestraightedge

>Und "pumpen" würde ich das nicht nennen;

Stimmt, denn er will es ja nicht zurück geben.

>Muss man natürlich dennoch nicht gut finden und ja, wirkt ein wenig abhoben wenn Du mehr hast als 95% der Mitbürger und vermutlich als 99% der Zuschauer aber sagst "Ist gerade kein guter Kurs, will nicht verkaufen".

Vor allem wenn man sieht wie diese parasozialen Beziehungen mit (Twitch-)Streamern meist aufgebaut sind.

Hat schon seinen Grund warum ein nicht unerheblicher Anteil eines typischen Twitch-Streams daraus besteht, dass irgendwelche Popups, Einblendungen und aufdringliche Chat Elemente auf Spenden hinweisen und der Streamer zusätzlich jede einzelne Spende vorliest und sich bedankt.

Und wehe da wird mal eine Spende übersehen, dann kann es schon passieren, dass das der Spender persönlich nimmt und seinen Unmut im Chat äußert oder sich für ein paar Tage bis Wochen zurückzieht.

Die Wertschätzung für den Content steht hier weit im Hintergrund, denn wenn es darum ginge, könnte man sich den ganzen Quatsch und die hohen Gebühren sparen und einfach sein Paypal-Konto und seine Bankverbindung im Kommentarbereich nennen.

Content ist hier meist nur noch das Beiwerk für einen Personenkult und muss einfach nur möglichst massenkompatibel sein, um neue User in den Stream zu locken.

In so einem Umfeld ist ein Spendenaufruf in Kombination mit einer vermeintlichen Notlage schon ein Signal an seine Fans und Wale, die Geldbörsen noch einmal ein Stück weiter zu öffnen, um im Gegenzug seinem Idol noch näher kommen zu können.

Ich bin vor ein paar Wochen z.B. mal für die Aussage, dass ich einem Streamer gegenüber neutral eingestellt bin und mich nur zufällig der aktuelle Content interessiert trotz laufendem Twitch-Abo (als Twitch-Geschenk erhalten) von einem Twitch-Streamer direkt gebannt worden. Neutral ist nicht gut genug und interessanten Content abliefern ist auf Twitch kein erstrebenswertes Geschäftsmodell.

Du musst Deinen Usern in erster Linie eine nicht existierende Freundschaft und Nähe vorspielen. Und gerade langjährig erfahrene Streamer mit hohen Abozahlen sind da komplett abgebrüht und abgestumpft.

Die Kehrseite ist natürlich, dass diese Branche, das Schauspiel und der Druck oft auch auf die mentale Stabilität der Streamer schlägt - wenn dann im Rahmen von Skandalen mal wieder irgendwelche persönlichen Hintergründe bekannt werden, sieht man immer wieder wie kaputt diese Branche ist und dass am Ende sowohl die Streamer als auch die User Schäden davontragen.

Das ist jetzt auch alles nicht direkt auf Bimon bezogen, sondern eine allgemein Kritik an diesem Business. Bimon folge ich zu wenig, um seine konkrete Situation einzuschätzen, was ich am Rande über seine Twich-Posts und Reddit-Diskussionen mitbekomme geht aber schon in die Richtung.

Noch ein Beispiel von einem "Reise-Blogger" dem ich folge und bei dem ich die Entwicklung von klein nach groß miterlebt habe:

Von "bei mir ist immer alles kostenlos" zu einer Youtube-Membership-Option die inzwischen fleißig mit Exklusiv-Content und wöchentlichen Community-Livestreams bespielt wird, hat es nur 3 Monate und eine Youtube-Werbeaktion, bei der Youtube den Streamern entsprechende Boni eingeräumt hat, gedauert.

Der Content der Videos ist inzwischen klar ersichtlich nur noch auf hohe Aufrufzahlen ausgerichtet - interessante Videos mit guten Informationen sind belanglosen Hype-Themen mit Clickbait-Titeln gewichen. Natürlich bewirbt er inzwischen auch die gleichen Schrott-Produkte wie alle Youtuber.

Ein ganz klarer Fall, bei dem ursprünglichen Moralvorstellungen ganz schnell dem Traum vom großen Geld gewichen sind, nachdem ein paar größere Zahlungen von Youtube am Konto eingegangen sind.

User werden auch gezielt über die eigenen Finanzen im Unklaren gelassen oder sogar getäuscht (immerhin hier war Bimon etwas offener). Der Typ nimmt pro Livestream locker 4stellige Beträge an Spenden ein und die Views seiner Videos lassen sich auch fünfstellige Einnahmen zurückrechnen.

Trotzdem lässt er sich von Besuchern im Livestream immer wieder einladen (obwohl diese Besucher quasi zu seinem Content beitragen), während er dann immer wieder die hohen Kosten erwähnt, die ihm entstehen - dabei sind das vergleichsweise lächerliche Kosten wie eine 200 Euro Lokalrechnung, die sogar noch zu ca. 50% von einem Live-Besucher übernommen wurde.

Aber auch die negative Seite des Erfolgs ist bereits deutlich sichtbar. In Livestreams merkt man ihm den Druck an, dass es immer noch höher, schneller, weiter gehen muss. Das Gefühl für interessanten Content, das er früher durchaus hatte, ist dem Druck immer höhere Aufrufzahlen zu generieren gewichen.

Auch erste Burnout-Symptome stellen sich bereits ein, wie immer mehr unter fragwürdigen Gründen ausfallende Streams und ständige Krankheiten zeigen.

Ein anderer erfolgreicher Reise-Streamer hat in seinem letzten Video von einer Angststörung und Schlafstörungen berichtet. Auch dort ist der Burnout gut sichtbar und schlägt bereits deutlich auf die Content-Qualität und Vielfalt durch.

Twitch ist aus diesen Gründen für mich quasi unbenutzbar, wie ich immer wieder feststelle, wenn ich alle paar Monate mal für bestimmten Content dort hingehe. Youtube ist besser, aber auch dort sind die Abläufe ähnlich wie man an den zuletzt genannten Beispielen sieht - dort ist aber wenigstens nicht die ganze Plattform von blinkenden Symbolen und Spendenmöglichkeiten überfrachtet und die Videos stehen gegenüber Live-Spendenstreams noch mehr im Vordergrund.


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