Thema:
Re:Nochmal zu Glaube und Religion flat
Autor: Karotte
Datum:25.04.25 15:57
Antwort auf:Re:Nochmal zu Glaube und Religion von FS

>>>>Aber woher kommt dieses „unpragmatische“ Mitgefühl?
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>>>Weil es, im Gegensatz zu dem was Du sagst, ein evolutionärer Vorteil ist, zur besseren Ressourcenverteilung und Verbesserung der Lebensbedingungen für alle führt.
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>>>Gilt auch im Großen.
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>>>EU vor der Gründung der EU und danach.
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>>>Vorher=Dauerkonflikt und Weltkriege, noch davor Ritter und Könige, die sich in zersiedelten Gebieten gegenseitig gekillt haben. 30-jähriger Krieg etc.
>>>
>>>Danach=Freihandel und Wachstum in nie zuvor gekannten Ausmaß.
>>>
>>>Empathie und Kooperation und Gruppenbildungen bringt die Spezies weiter.
>>>Isolation, Feindlichkeit und Rücksichtslosigkeit führt in den Untergang.
>>>Pure Egoisten sind ausgestorben, Spezies mit Basis Empathie haben überlebt.
>>>Manchmal nur gegenüber der eigenen Art, andere auch gegen andere Arten.
>>
>>Imho redest du von Pragmatismus, nicht von Empathie.
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>Mitgefühl also Empathie hat oft pragmatische Wurzeln. Altruismus, also Uneigennützigkeit ist sehr selten wirklich selbstlos. Es ist quasi ein Kredit. Man tut Gutes und hilft anderen, weil man einen reziproken Vorteil erwartet (bei Gläubigen sogar erst im Jenseits, ausgezahlt durch Gott).
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>Man erwarte nach so einer Tat, dass einem selber geholfen wird, wenn es einem schlecht geht, dass die Person dankbar ist und einen später belohnt, wenn er die Möglichkeit hat, dass man Teil der Gemeinschaft der Person wird, der er geholfen hat. Darum wird auch Undankbarkeit auch extrem negativ wahrgenommen. Sie ist das Gegenteil dessen, was man erwartet.
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>Nehmen wir ein Beispiel aus der Natur. Vampirfledermäuse.
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>Sie ernähren sich von Sickerblut von großen Säugetieren z.B. Rindern. Sie schleichen sich an, lecken an von Fell nicht bedeckten Teilen der Tiere und der Speichel hat eine leicht betäubende Wirkung und verhindert die Gerinnung. Dann schneiden sie eine ganz kleine oberflächliche Wunde mit ihren scharfen Schneidezähnen und lecken das Sickerblut bis der Magen voll ist.
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>Das müssen sie jede Nacht tun. Manchmal hat eine Vampirfledermaus Pech und findet kein passendes Tier oder wird immer verjagt. Wenn sie innerhalb 48h nichts frisst, wird sie zu schwach um wieder zu fliegen und würde sterben. Erfolglose betteln dann andere Fledermäuse an und diese geben dem Pechvogel eine ausreichende Menge hochgewürgtes Blut, damit diese in der nächsten Nacht wieder losfliegen kann.
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>Ist sie erneut erfolglos, wird das Durchfüttern verweigert. Offenbar ist sie nicht (mehr) in der Lage, für sich selber zu sorgen und es wäre Verschwendung, ihm mehr Blut zu geben.
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>Die Empathie mit einem Erfolglosen ist also da, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Es war für die Spezies von Vorteil, solche temporären Probleme durch emphatisches Verhalten auszugleichen. Trotzdem ist das Verhalten ultimativ Egoismus, da man erwarte ebenfalls gefüttert zu werden, wenn man Pech hatte.
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>Man findet emphatisches Verhalten in fast allen höheren Spezies (beginnt bereits bei Insekten). Menschen inklusive.


Dieser Ansatz erklärt jedoch nicht das Mitgefühl mit einem geistig behinderten Menschen, der mir dieses Mitgefühl niemals wird zurückzahlen können. Oder mit einem Kind, das seine Eltern in einer zerbombten Stadt verloren hat, das ich nur auf einem Fernsehschirm zu Gesicht bekomme und nie in meinem Leben treffen werde. Oder „arische“ Zivilisten, die in den Nazi-Gebieten Juden versteckt haben obwohl sie riskierten, selbst im KZ zu landen bzw. Privatpersonen in ehemaligen Nazi-Territorien, die nach dem Einmarsch der Alliierten Wehrmachtssoldaten bei sich unterbrachten und versorgten, bis die Luft für sie rein war.

Diese bedingungslose Empathie, die sogar das eigene Leben gefährden kann, existiert und unterscheidet sich grundlegend von diesem maschinellen Prinzip aus der Tierwelt, das nur eine Spielart des Selbsterhaltungstriebes ist.


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