Thema:
Re:Was bedeutet ACAB? flat
Autor: Pfombo
Datum:27.05.25 17:35
Antwort auf:Re:Was bedeutet ACAB? von suicuique

>Manchmal kapier ich nicht was du uns sagen willst :/
>
>Der Punkt ist doch, dass Pauschalisierung und Schubladen scheisse sind. IMMER. (Ist das jetzt nicht selbst eine Pauschalisierung? Hmm ;)
>

Hm, ich seh das so: Pauschalisierungen, Generalisierungen und Schubladen sind einfach nur Hilfsmittel, damit das Gehirn nich explodiert. Effizienz-Tools sozusagen. Sie haben also einen Zweck. Auch Gruppen oder Kollektive haben Zwecke; Menschen tun sich zusammen und bilden Gruppen, um sich zu helfen, ihre Wirkmacht zu vergrößern oder um sich abzugrenzen.
Allerdings macht es imo keinen Sinn, die Individuuen einer Gruppe zu 100% mit der Gruppe zu identifizieren. Denn die Wahrheit ist doch, dass das Individuum individuell ist. Es hat 1. ne eigene, personale Identität, und 2. ne Gruppenidentität. Die eigene Identität ist wahrhaft, die Gruppenidentität ist künstlich. Was zur Gruppe gehört und was nicht, ist meist konstruiert oder fußt meist auf konstruierten (augenscheinlichen) Kriterien.

Frauen, Männer, Inländer, Ausländer, Homo, Hetero, Reiche, Arme, Alte, Junge, Rechte, Linke, Bayern, Sachsen, Klempner*innen, Nicht-Klempner*innen... Das sind alles Gruppen, denen man Attribute zukommen lässt, obwohl zugeschriebene Attribute (je nach ihrer Art) nie auf alle Individuuen der Gruppe zutreffen. Man kann von Tendenzen sprechen, man kann von "den meisten" sprechen, man kann von "einigen" sprechen... aber diese Differenzierung findet durch die Verwendung von Pauschalisierungen und Verallgemeinerungen nicht explizit statt. Selbst wenn der Nutzer der Verallgemeinerung es nicht wörtlich so meint, kann ein Empfänger der Botschaft ihm die Nutzung der Verallgemeinerung zum Vorwurf machen. "ACAB!" - "Ach, wirklich alle?!" - "Nee, natürlich nich alle." - "Warum sagst du's dann?"

Wir versuchen mit Schubladen, Gruppen und Verallgemeinerungen eine Eindeutigkeit zu erreichen, um das Gehirn zu entlasten. Aber welche sozialen Konzepte, Systeme, Modelle, Subjekte sind schon wirklich eindeutig? Aus welcher Perspektive? Im Vergleich zu was? Seit wann? Und wie lange noch?

>Und die werden nicht einfach dadurch weniger scheisse, dass es einem in gewissen Fällen genehm ist derlei Generalisierungen zu betreiben weil sie zur eigenen Überzeugung passen.

Ich finde, man muss sich nur einfach bewusst machen, dass es Gruppen, Lager, Verallgemeinerungen und Schubladen GIBT, und dass diese auch Gründe und einen Sinn haben, aber dass sie eben auch meist Konstrukte mit fraglicher Relevanz sind. Weil die Teile der Gruppe dann DOCH individuell sind. Wir werden Schubladendenken nich abschaffen (müssen wir auch nich, weil es ja wie alles ne gute und ne schlechte Seite hat), aber wir können uns das BEWUSST machen. "Was sage ich eigentlich genau, wenn ich von "denen" rede. Wenn ich von "allen" Individuuen einer konstruierten Gruppe spreche?"
Ich finde sogar, man SOLLTE sich das bewusst machen, weil der Effekt meiner Meinung nach enorm ist. Wir denken und reden so oft verallgemeinernd und pauschalisierend, obwohl es - zumindest, wenn man meinen Ausführungen folgen will - so gut wie nie die ganze Wahrheit beschreibt. Oder umgekehrt formuliert: Die Fälle, in denen eine verallgemeinerte Aussage / Formulierung die Wahrheit auch tatsächlich exakt beschreibt, sind selten.

Will man in Gruppen, Schubladen und Verallgemeinerungen denken, reden und handeln? Oder will man das nicht? Ist die Gruppenidentität gleichzusetzen mit der personalen Identität? Findet man Kollektivismus gut, oder Individualismus? Man kann das wählen.
>
>Mehr ist da nicht.
>Muss man jetzt den konkreten Vorfall so an die Glocke hängen. Nee, muss man nicht.
>Aber man kann und sollte ruhig drauf hinweisen dass die gute Dame sehr zu provokanten Statements neigt.


Ach so, wir sind doch wieder bei Jette. Ja, da sag ich ja nix gegen. Sich in ihrer Position mit diesem Pulli zu zeigen is peinlich und unklug. Würde das weder befürworten noch ignorieren wollen. Aber mir nimmt diese Aktion sowie die Empörung darüber gefühlt zuviel Raum ein, so wie zig andere "Skandale". Kann man nix machen, ist halt so, lässt mich aber trotzdem mit den Augen rollen.

>Und die sind weder zielführend noch konstruktiv. Gerade in Zeiten wie diesen. Weniger Provokation, mehr Kompromisse.

Da stimm ich zu.


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