Thema:
Re:Sammelantwort flat
Autor: Orrpus
Datum:31.05.25 11:05
Antwort auf:Re:Sammelantwort von Telemesse

>>>Erstmal ist der Inhalt der Vereinbarungen zweitrangig. Zuerst geht es um die Beurteilung ob hier eine Formular- oder Individualvereinbarung vorliegt. Für beides gibt es valide Punkte.
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>>Nur kennen wir die Punkte nicht, weil wir nichts über das Zustandekommen der Klausel im Vertrag kennen. Die Hürden für eine Individualvereinbarung sind deutschlandweit hoch; ich hatte schon zig Mietverträge gesehen, bei denen die Vermieterinnen und Vermieter der Meinung waren, dass sie aus dem AGB-Recht raus wären, weil sie die AGB handschriftlich in den Vertrag geschrieben haben. Den Zahn musste ich ihnen ziehen (oder dann die Richterin/der Richter, wenn sie damit trotzdem vor Gericht gezogen sind).
>>
>>>Wie ein Richter diese wertet, bzw. wie er die Passage letztendlich einordnet liegt innerhalb seines Ermessensspielraums. Das ein Richter im eher roten Hamburg das durchaus anders bewertet als evtl. ein Erzkonservativer Richter in Niederbayern ist durchaus wahrscheinlich. Und natürlich ist die Passage inhaltlich ziemlich dünn und schwammig, weswegen man noch weniger eine Urteilsprognose abgeben kann. Gerade deswegen gibt es in solchen Fällen i.d.R erst mal ein Güteverhandlung, in der versucht wird herauszufinden was denn die ursprüngliche Intention der Vereinbarung war und einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiß herbeizuführen. Wenn man es mit vernünftigen Menschen zu tun hat kann man sich das ganze aber sparen und sich einfach außergerichtlich auf eine vernünftige Lösung einigen.
>>>Btw. Das an Amtsgerichten mitunter ziemlicher Käse geurteilt wird und auch Vergleichsurteile genüßlich ignoriert werden, ist hier bei uns z.b. eher die Regel als die Ausnahme. Das sorgt immer wieder für verdutzte Gesicher bei Leuten denen, auch von Anwälten, erzählt wurde, das ginge hundertprozentig durch. Gerichte haben i.d.R. auch keinen gesteigerten Bock auf solche Pille Palle Verfahren weswegen Richter mitunter durchaus auch allergisch reagieren wenn eine Partei sich in der Güteverhandlung vehement einer Einigung verweigert. Das kann dann durchaus Einfluss auf die Abwägung des Sachverhaltes haben.
>>>
>>Das Landgericht Berlin ist zum Beispiel im Mietrecht unberechenbar, weil die Richterinnen und Richter der Kammern sich spinnenfeind sind und extra gegen die Ansichten anderer Kammern entscheiden.
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>>>Also worum geht es hier. Levi wohnt seit 10 Jahren in einer Wohnung, die er offenbar neu renoviert übernommen hat. Ob er zwischenzeitlich mal was gemacht hat oder nicht geht aus dem Text nicht hervor.
>>>Der Vermieter hat damals offenbar eine tadellose Wohnung übergeben und hätte diese eben auch so wieder zurück, worauf sich beide Parteien bei Abschluss des Vertrages wohl auch verständigt hatten.
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>>Wir wissen nicht, worauf sie sich verständigt haben. Vielleicht hat der Vermieter ihm den Vertrag mit seinen handschriftlichen Ergänzungen einfach vorgelegt, dann ist es keine Individualvereinbarung.
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>>>Wenn jetzt die letzten  10 Jahre nichts in der Wohnung gemacht wurde, fände ich es, unabhängig jeglicher Rechtsbeurteilung, eine Sache des Anstands die Bude mal durchzupinseln und ordentlich wieder zu übergeben.
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>>Das würde ich von dem Zustand der Räume abhängig machen. Ich kenne Leute, bei denen die Wohnung nach der Zeit noch super aussieht, während bei anderen schon nach zwei Jahren alles gruselig abgerockt wirkt. Deshalb sind starre Fristenpläne auch unwirksam und es kommt immer auf den individuellen Abnutzungsgrad an - wenn der Mieterseite die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen wirksam übertragen wurde. Sonst gilt das Gesetz und die vermietende Partei ist dran.
>>
>>>Hätte ich zwischenzeitlich oder vor kurzem erst schon mal renoviert, würde ich mit dem Vermieter sprechen und die Renovierungsnotwendigkeit vom tatsächlichen Zustand abhängig machen. Denn das ist eben genau das, was die Zielsetzung der geänderten Rechtssprechung war, die eben feste Zeitfristen unabhängig vom tatsächlichen Zustand in Mietvertragen verhindern soll.
>>
>>Zielsetzung war eher, dass Klauseln, welche die Mieterseite unangemessen benachteiligen (und da gibt es im Bereich von Schönheitsreparaturen sehr viele, die im Laufe der Jahre vom BGH kassiert wurden), unwirksam sind und das Gesetz gilt. Und nach dem Gesetz ist die vermietende Seite verantwortlich, die Mietsache während der Mietzeit im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten.
>>
>
>Wobei die Rechtsanwendung da imo schon bemerkenswert war. Die Schöhnheitsreparaturklauseln mit den festen Fristen waren früher ja absolut üblich und auch rechtlich akzeptiert. Die waren so in nahezu allen Formularmietverträgen der üblichen Vertragsanbieter zu finden.


Richtig. Die Schönheitsreparaturen waren rechtlich ein Kuriosum. Die Verpflichtung besteht vom BGB her für die Vermieter, aber jahrzehntelang wurde diese Pflicht auf die Mieter abgewälzt. Das ist auch möglich, nur darf der Mieter nicht unangemessen benachteiligt werden, was bei starren Fristen und Endrenovierungsklauseln, etc. der Fall ist, da dem Mieter mehr Pflichten auferlegt werden als der Vermieter selbst gehabt hätte.


>Der BGH hat ja dann irgendwann (hab jetzt das Jahr nicht mehr im Kopf) die starre Fristenregelung gekippt und somit alle derartigen Vereinbarungen für nichtig erklärt,

Das müsste das Urteil vom 23.6.2004, VIII ZR 361/03, gewesen sein. So überraschend war das Urteil nicht, da der BGH nur die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bestätigt hatte. In den beiden vorangegangenen Instanzen hatte auch die mietende Partei wegen der Unwirksamkeit der starren Renovierungsverpflichtung gewonnen.

""Eine unangemesse-
ne Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu
vereinbaren ist. Eine solche Abweichung, die gegen die Gebote von Treu und
Glauben verstößt, liegt hier vor. Nach der gesetzlichen Regelung in § 535
Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie wäh-
rend der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Hierzu gehört auch die Pflicht
zur Ausführung der Schönheitsreparaturen. Zwar kann der Vermieter diese
Pflicht durch Vereinbarung - auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - auf
den Mieter übertragen (st. Rspr., BGHZ 92, 363; 101, 253). Jedoch ist eine for-
mularvertragliche Bestimmung, die den Mieter mit Renovierungsverpflichtungen
belastet, die über den tatsächlichen Renovierungsbedarf hinausgehen, mit der
gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Sie würde dem Mieter eine höhere Instandhaltungsverpflichtung auferlegen, als der Vermieter dem Mieter ohne ver-
tragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2
BGB schulden würde (vgl. M. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz,
4. Aufl., § 9 M Rdnr. 68; Häublein, aaO). Auch ist ein Interesse des Vermieters,
den Mieter zur Renovierung der Wohnung zu verpflichten, obwohl ein Renovie-
rungsbedarf tatsächlich noch nicht besteht, nicht schützenswert."

[https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=29890&pos=0&anz=1]

>anstatt, was ja durchaus üblich ist, eine Ersatzregelung, die der angedachten am nächsten kommt, zu implementieren.

Nein, bei AGB ist das nicht üblich. Man hätte überlegen können, ob man den unwirksamen Teil streicht und den Rest der Klausel bestehen lässt. Aber bei Schönheitsreparaturen lässt der BGH den sogenannten Blue-Pencil-Test nicht durchgehen (einzige Ausnahme die Quotenabgeltungsklausel), sondern erklärt die gesamte Klausel für unwirksam, so dass das Gesetz gilt.

>Resultat war dann durchaus, das wir Erstbezugswohnungen nach nur wenigen Jahre, runtergehaust zurückbekommen haben.

Ja, das war in der Tat ein Problem, der die Vermieter wirtschaftlich anders geplant hatten. Die Kosten für die Schönheitsreparaturen waren nicht in der Miete eingepreist und man blieb in solchen Fällen auf einem Schaden sitzen. Ich hatte meine Studentenwohnung beim Auszug auch trotz der Unwirksamkeit der Klausel gestrichen.

Gruß
Orrpus


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