Thema:
Vieles ist negativ, bereue aber nichts flat
Autor: ame/Andy
Datum:02.06.25 21:42
Antwort auf:Ich bin verwundert von CTN

>Mich verwundert, wie hier ein Leben im Ausland verkitscht wird. Manche Leute sind sich des sozialen Netzes in Deutschland gar nicht bewusst. Besonders die 3. Welt Länder, die hier als Alternative genannt werden.

Grundsätzlich finde ich "Ausgewanderte" komisch, die ständig über ihr Heimatland ablästern. Denn sind wir mal ehrlich: Ohne die Ökonomische Stärke des Geburtsortes wäre es doch den meisten gar nicht möglich, überhaupt an eine Auswanderung zu denken. Auswandern ohne Plan und Idee ist natürlich generell nicht das Beste; das kann man JPS aber definitiv nicht vorwerfen; zumindest auf theoretischer Ebene wühlt er sich intensiv in das Thema ein.

>Arbeitsbedingungen
>Verwaltung
>Lebensmittel
>Wohnung (Qualität hat auch da ihren Preis)


Nach knapp drei Jahren die Dinge, die mich am meisten nerven:

- Unzuverlässigkeit, also Termine mit Leuten, die dann aus irgendwelchen erfundenen Gründen nicht auftauchen.

- Schlechte bis durchschnittliche Qualität von Arbeiten. Daran muss man sich echt gewöhnen oder - wie Du schon richtig schreibst, tiefer in die Tasche greifen.
Fakt ist aber: Die Leute hier störts nicht, weil sie es nicht besser kennen; oder von Ihrem Heimatland nicht anders erwarten. Also wer bin ich denn, darüber zu urteilen. Lösung: Besser qualifizierte Leute finden und dafür bezahlen. Ersteres schwieriger als Letzteres :)

- Verwaltung. Absolut alles. Fängt damit an, dass es dir als Ausländer ohne Credit-Score praktisch unmöglich gemacht wird, ein postpage Internetabo abzuschliessen und hört bei jeder Konversation mit Banken & co. auf. Das schliesst die an Dämlichkeit nicht mehr zu überbietenden Mitarbeiter des staatlichen Gesundheitssystems mit ein. Die machen zwar keine schlechte Arbeit; aber die meisten Leute denken hier echt nur mit Scheuklappen. Vermutlich wurde den meisten hier einfach nie beigebracht selbst zu denken, anders kann ich mir das nicht erklären. Das System leitet und man hält sich ans System. Wobei man das ja dann in anderen Bereichen wieder überhaupt nicht tut, was zum nächsten Punkt führt:

- Korruption. Hat - sofern man Geld hat - vor- und Nachteile, für das Land grundsätzlich natürlich mal eher nur Letztgenanntes. Vorteil war, dass ich meine Fahrstunden für den Führerschein nicht absitzen musste. Nachteil könnten Bekanntschaften mit der hiesigen Verkehrs-Polizei sein; bislang allerdings noch nie was passiert.

- Lärm, hier ist es - sofern man nicht irgendwo auf dem Land oder teuer wohnt, relativ laut (insbesondere Verkehrslärm, ständiges Hupen, katastrophale Autofahr-Kultur). Damit kommt aber auch das lockere Lebensgefühl und der geile Vibe, den ich sonst sehr schätze. Alles hat seinen Preis. Lösung: Teurere Wohnung: Höher oben, wertigere Konstruktion (Wände/Fenster), insgesamt teurere Ecke.

- Sicherheit, erkauft man sich durch obigen Punkt gleich mit. Handy nimmt man auf offener Strasse nicht aus der Tasche; wenn das auch viele lokale tun - clever ist es deswegen trotzdem nicht. Standard ÖV (Buse) würde ich auch nicht nutzen wollen.

- Unfassbar langsame Kassierinnen. Ein Detail, aber auffällig, wie langsam man Artikel über den Scanner ziehen kann, ist beeindruckend. Lösung: Bestellen oder in anderen Läden einkaufen gehen. (mit mal mehr, mal weniger Erfolg, wie so oft ist es Glückssache, an wen man gerade gerät).

- Essen, speziell asiatisches Essen. Gibt's bei mir trotz >1Million-Einwohner fast gar nicht, dafür gefühlt pro Einwohner ein Burger-Restaurant. Ich würde sogar sagen, dass das mein grösster Kritikpunkt ist. Ansonsten ist das Essen aber hervorragend und täglich auswärts Essen kein Problem; wenn auch nicht günstig.

>Ein Lebensstil auf europäischem Niveau ist nicht billig und du wirst überall Abstriche machen müssen, an die du im ersten Moment gar nicht denkst.

Das trifft es sehr gut. Deswegen hab ich JPS auch empfohlen, die Länder vorgängig zu besuchen, denn all die Theorie nützt nichts, wenn danach Dinge ärgern, die man schlicht nicht auf der Liste hatte. Das ist auch bei jedem total anders. Was mir auf den Geist geht, könnte der nächste total geil finden. Ergo muss man das selbst erfahren und die Learnings draus ziehen.
Die Anschlussfrage die sich jeder, der mit dem Gedanken spielt, stellen sollte: Was möchte ich am neuen Ort erreichen, wieso bin ich dort, was ist mir wichtig, was weniger, kann ich mir das und jenes leisten usw.

Thailand fand ich bspw. fantastisch, um dort Urlaub zu machen. Die doch komplett unterschiedliche Lebenseinstellung und für mich völlig unverständliche Sprache würden es mir aber schwer bis unmöglich machen, dort zu leben. Hier rede ich mit dem Receptions-Typen über Fussball oder dem Uberfahrer über Politik, kann mich auf dem Steueramt verständigen und verstehe Seitenlange E-Mails, die mir irgendwelche Offiziellen senden. Ich fühle mich trotz der vielen Widrigkeiten in Kontrolle. Das hätte ich ein Asien generell wohl eher weniger/nicht.

Last but not least die Zeitzonen: Hier kann ich Nachmittags mit Freunden in Europa online spielen, in Asien eher schwieriger, sollte ich nicht bis mitten in der Nacht wach sein wollen. Und Morgens um halb 9 bzw. halb 10 BuLi zu schauen geht in Ordnung, genau sowie wie Champions League Abende Nachmittags, Morgens um zwei Champions League in Thailand eher weniger.

>Erwarte nicht, dass die Leute da auf dich gewartet haben.

Absolut niemand hat nirgends auf den Auswanderer gewartet und man bleibt auch ständig der Ausländer, dessen muss man sich bewusst sein. (was nicht immer negativ behaftet ist)

Hört sich jetzt vielleicht alles voll negativ an, aber wie schon geschrieben, ist die Frage, wieviel diese Punkte gewichten. Ich fühl mich super wohl hier und bereu den Schritt bislang überhaupt nicht. Habe hier Freunde, eine geile Wohnung, viele Restaurants, das Meer praktisch vor der Tür (auch wenn ich vieeeel zu wenig dorthin fahr; sind knapp 20 Minuten) und die Leute sind alle mega freundlich und der generelle Vibe hier ist einfach fantastisch. + immer warm, ich liebe warm. Ohne Klimaanlage wärs allerdings auch nicht so geil.

Was in 20 Jahren ist? Keine Ahnung, das schon zitierte soziale Netz in DE bzw. für mich in der Schweiz ist allerdings gespannt, worst case könnte ich stets zurück, womit wir wieder beim Anfang wären: Über das Heimatland ablästern welches überhaupt erst diese Schritte ermöglicht hat, verstehe ich so gar nicht.


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