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Autor: | Pezking | ||
Datum: | 06.06.25 17:00 | ||
Antwort auf: | Ich bin den AfD-Wählern im Osten persönlich beleidigt... von Xtant | ||
>... meine Freundin stammt aus Köthen, einer 25.000-Einwohner-Kleinstadt mitten in Sachsen-Anhalt. Ihre Eltern (beide Ende 80) leben noch da, also sind wir so ein- bis zweimal im Jahr dort. > >Ein schmuckes Städtchen, steckt bestimmt viel Aufbau-Geld drin. Bis auf das Kopfsteinpflaster gibt's wirklich wenig, was spontan "nach Osten" aussieht. Ansonsten gibt's eher wenig, abseits der üblichen Ketten z.B. auffallend wenige kleine, privat geführte Lädchen. > >Ausländeranteil: 5%. Arbeitslosenquote wird nicht gesondert aufgeführt; der Arge-Bezirk hat 10,7%, Köthen an sich liegt da wohl deutlich drunter. > >Köthen ist weder mittendrin noch erkennbar abgehängt. Bundestagswahl-Ergebnis für die AfD: 37,9% und damit noch mal leicht über dem eh schon erschreckenden Landesergebnis. Auch die BSW liegt hier knapp über Landesschnitt. CDU. SPD, FDP, Grüne und demokratische Kleinparteien kommen zusammen auf deutlich unter 40%, weniger als die AfD. Man kann also noch nicht mal sagen, dass ja die demokratische Mitte immerhin noch die Mehrheit hat. > >Warum? Ich kapier's einfach nicht. Warum wählt man da AfD? Gibt für mich keinen halbwegs erklärbaren Grund. Ja grundsätzlich eh nicht, da drüben aber eigentlich noch viel weniger. > >Da bin ich echt persönlich beleidigt, dass mir die Ossis mein Land so dermaßen versauen. Ähnliche Situation bei mir. Meine Frau kommt aus Sachsen-Anhalt. Bad Kösen, Naumburg. Kurstadt, die vor ein paar Jahren vom Verwaltungssitz des Landkreises eingemeindet wurde. Meine Schwiegerelten sind zum Glück weltoffene und kirchlich engagierte Demokraten, die kein gutes Wort für die DDR übrig haben. Habe mir über die Problematik auch schon viele Gedanken gemacht. Meine Ansätze: - Die DDR wirkt nach. Die Leute dort haben 40 Jahre lang gelernt dem Staat und "denen da oben" prinzipiell zu misstrauen. IMO ein ähnlicher Effekt wie in Russland. Wenn "die da oben" Angst vor der AfD zeigen oder vor ihr warnen, vergrößert das eher noch deren Attraktivität. Politiker sind eh alles Verbrecher, sollen es halt die mal versuchen. - Das gilt leider nicht nur bezüglich der Politik, sondern auch der Presse gegenüber. Im Zweifelsfall traut man niemandem. Und wenn man der seriösen Presse nicht traut, hat Propaganda umso leichteres Spiel. - Der Braindrain seit mittlerweile über 35 Jahren ist ein großes Problem. Die Leute aus dem Abi-Jahrgang meiner Frau sind fast alle in den Westen gegangen. Das sind alles supernette, aufgeräumte und weltoffene Menschen, die sich eher die Hand abhacken als die AfD wählen würden. Nur wählen die halt seit über 25 Jahren nicht mehr in Sachsen-Anhalt. - Es fällt auf, dass immer mehr Nazis aus dem Westen in den Osten ziehen. In der Straße meiner Schwiegereltern wohnt seit ein paar Jahren ein Zugezogener aus den alten Bundesländern, dessen Autokennzeichen einen klaren Hitlerbezug aufweist. Den nennen dort alle nur den "Nazi". - Es gab in der Heimat meiner Frau schon vor der Jahrtausendwende innerhalb der Jugend Grüppchenbildung in "Punks" und "Nazis". Sowas war mir aus dem beschaulichen Taunus komplett fremd. - Ebenfalls schon seit vor der Jahrtausendwende haben sich Rechtsextreme dort einfach mehr getraut bzw. stießen sie seitens der Bevölkerung nicht auf nennenswerte Ablehnung. Mein Schwiegervater hat immer gekotzt, wenn Jahr für Jahr wieder "die Nazis" kamen, um den Mördern von Walther Ratheuau zu huldigen, deren Flucht dort in einer nahegelegenen Burg tödlich für sie endete: [https://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Rathenau#Ermordung] - Der geringe Ausländeranteil in der Bevölkerung sorgt dort IMO eher dafür, dass Vorurteile viel leichter Wurzeln schlagen können. Leute, die man nicht kennt und denen man nie begegnet, sind besonders wehrlose Sündenböcke. Insgesamt eine äußerst unschöne Entwicklung. Die aber nicht erst vor zehn Jahren begonnen hat. Meine Frau kann sich heutzutage einen Umzug zurück in ihre Heimat unter keinen Umständen mehr vorstellen. |
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