Thema:
Re:Danke für die Insights… flat
Autor: Staabi
Datum:09.07.25 08:57
Antwort auf:Danke für die Insights… von Kilian

Sicherlich hat niemand in der Phase der sehr hohen Nachfrage freiwillig seine Marge runter gefahren, warum auch wenn einem 2021 - 2022 fast jedes Rad aus dem Laden innerhalb kurzer Zeit weg verkauft wurde. Es hat aber auch niemand, oder besser kaum jemand, die Margen massiv hoch gefahren. Was hoch gegangen ist sind die Margin-Dollars, also Umsatz und damit auch die Gewinnsumme bei ähnlicher Marge. Die prozentuale Marge, die ist allerdings annähernd gleich geblieben bzw auf Händlerseite durch Effekte wie "ich verkaufe sehr viel mehr Fahrräder mit dem gleichen Personal" gestiegen. Auf Herstellerseite allerdings sieht das nicht ganz so aus, Fahrrad- und Fahrradteileproduktion ist nach wie vor recht wenig automatisiert, da muss noch viel über menschliche Arbeitskraft und Arbeitsmaterialien hochskaliert werden. Sprich, die Lohnkosten und die Kosten für Fertigung allgemein steigen auch entsprechend mit dem steigendem Umsatz.

Der Kostentreiber 2020-2022 war eher auf der Rohmaterialseite und den Frachtkosten zu sehen, die Tonne Rohaluminium z.B. lag 2019 um die 1.600 Euro, um dann Anfangs der Pandemie kurz zu fallen und dann direkt auf in der Spitze um die 3.500 Euro zu steigen. Also mehr als doppelt so viel wie vor der Pandemie. Aktuell immer noch bei 2.200 und damit deutlich über Vorpandemieniveau. Bei anderen Rohstoffen sieht es ähnlich aus.

Ganz übel auch die Seefrachtkosten, die stiegen von um die 1.500 USD pro 40Fuß Container bis auf über 10.000USD pro Container. In so einen Container passen so ca. 400 Rahmen für Produktion in Europa bzw 150-200 Kompletträder falls diese in Kambodscha montiert wurden. Sagen wir mal, 180 Kompletträder, dann stieg der Seefrachtanteil (der sich ja zusätzlich auch bei Zoll und Einfuhrumsatzsteuer niederschlägt) pro Rad von €8,33 auf in der Spitze über €55,- pro Rad. Wenn man überhaupt mal Container bekommen hat, denn die waren in der Pandemie üblicherweise gerade irgendwo, aber nicht da, wo man sie gebraucht hat... Deshalb wurden auch viele Rahmen und auch Kompletträder per Luftfracht aus Asien geholt, was exorbitant viel teurer ist.

Den Fehler, den vor allem viele Händler gemacht haben, war, davon auszugehen das die Pandemie-Nachfrage immer so weiter geht. Anfang 2020 kippte die Stimmung von "oh nein, niemand kauft mehr Fahrräder" und entsprechenden Stornierungen bei den Vorlieferanten im März innerhalb von 6 Wochen zu "oh nein, jeder kauft Fahrräder und ich habe nicht genug am Lager, wo bekomme ich jetzt was her". Das hat zu Doppelt- und Dreifachbestellungen geführt (also 100% bei Lieferant A und nochmal 100% bei Lieferant B und vielleicht nochmal 100% bei Lieferant C, statt die 100% auf drei Lieferanten zu dritteln weil davon ausgegangen wurde, 100% kommt eh nicht), was wiederum dafür gesorgt hat das z.B. bei Shimano die Lieferzeiten auf bis zu 2 Jahre angestiegen sind.Die Nachfrage fing aber schon 2022 langsam an abzuflachen, ganz bitter wurde es dann 2023. Dennoch haben viele Händler bis weit ins Jahr 2023 hinein massiv überbestellt. Ende 2022/Anfang 2023 kamen aber dann die Massen an Fahrrädern in den Markt die in der Euphorie oder auch Not Anfangs der Pandemie bestellt wurden - gerade als die Nachfrage einbrach. Das hat zu einem massiven Überangebot und der immer noch herrschenden Rabattschlacht geführt. "Gier frisst Hirn" war hier eher der Motivator immer noch mehr zu bestellen, weniger sich die Taschen mit höheren Preisen und Margen voll zu machen (wie gesagt, Preistreiber waren eher die Material- Lohn- und Frachtkosten). Ganz krass z.B. bei Pierer (KTM Motorrad), die vier neue Fahrradmarken in den Markt drücken wollten und sich damit massivst verhoben hatten.
Auch viele Händler, die sich vergrößert haben und sich schöne neue Glaspaläste hinstellten haben jetzt ein Problem diese kostendeckend zu betreiben. Auch prominente Händler wie z.B. Zweirad Stenger in Hösbach oder HiBike, hatten sich da verkalkuliert und sind in die Insolvenz gegangen (aber inzwischen beide gerettet da an neue Investoren verkauft). Auch auf Investorenseite haben sich einige eine echt blutige Nase geholt, KKR z.B. bei der Accell-Gruppe (Ghost, Lappiere, Haibike) oder auch GBL, die im Peak mit einer Mehrheitsbeteiligung bei Canyon eingestiegen sind und kürzlich ihren Firmenanteil um 200 Millionen(!) abgewertet haben....

Daran knappst die Branche nach wie vor, wenn sich auch die massiven Überbestände langsam abbauen. Brands die aber noch Bestände aus 2020-2022 haben müssen teilweise auch Fahrräder komplett abschreiben, wenn es mit 60% Rabatt nicht verkauft wurde, dann wird es auch mit 70% Rabatt nicht verkauft werden und Lagerfläche kostet ja auch (nicht wenig) Geld...


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