Thema:
Gegenargumente für die Putin Versteher flat
Autor: KO
Datum:26.11.25 19:07
Antwort auf:Russischer Angriff auf Ukraine #12 von Cerberus

Von einem User namens Tri Zerro der sehr gut aufgeschlüsselt hat das es nur einen Schuldigen gibt und das ist schlicht Putin.

https://www.facebook.com/profile.php?id=100073111452170

Hier der Text aus dem Beitrag. Evtl. etwas zuviel Text für die Zielgruppe die es unbedingt lesen sollte :)

Aber gekürzt könnten das westliche Politiker oder die News Magazine gerne mal deutlicher rüberbringen und vielleicht schaltet der eine oder andere AFD Wähler dann doch mal das Gehirn hin und überlegt sich wenn er da eigentlich wählt.

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Ich bekomme unter meinen Beiträgen immer wieder die gleichen Kommentare von den lieben Putinverstehern: dass der Krieg zwar schlecht ist, aber gerechtfertigt – unter anderem, da sich die NATO nach Osten erweitert hat.
Ich weiß, dass heute viel wichtigere Ereignisse stattfinden, über die man schreiben kann. Diese Ereignisse werden jedoch genug beleuchtet, deswegen mache ich mich daran, weiterhin die Propaganda des Kremls infrage zu stellen.
Lassen Sie uns die gängigen Argumente nacheinander entkräften – mit Fakten, Recht und Geschichte.
1 Putin wollte der NATO beitreten – und wurde abgelehnt.
2 Die NATO hat versprochen, sich nicht nach Osten zu erweitern
3 Putin wollte kein NATO an seiner Grenze haben. Also wollte er um jeden Preis verhindern, dass die Ukraine NATO beitritt.
4 Putin hielt eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, aber keiner hat ihn ernst genommen
5 Amerika hätte es nicht geduldet, wenn Mexiko der NATO beigetreten wäre.
6 Osteuropa  und insbesondere die Ukraine, Weißrussland, Moldova und die baltischen Länder  waren schon immer ein russisches Einflussgebiet.
7 Die NATO wollte Russland überfallen, um seine Bodenschätze zu rauben
8 NATO war in Jugoslawien und Afghanistan – also ist sie gefährlich
1.
Putin wollte der NATO beitreten – und wurde abgelehnt.
So lautet oft das Argument, das suggeriert, die NATO habe Putin durch eine Absage provoziert und ihn dadurch „aggressiv“ gemacht. Manche behaupten sogar, es sei Clintons Schuld, dass Russland heute Krieg führt – denn angeblich habe er Putin im Jahr 2000 den Wunsch nach NATO-Mitgliedschaft geäußert, woraufhin Clinton nach Rücksprache mit anderen Partnern ablehnte.
Ich persönlich stelle mir das Bild eben folgendermaßen vor:
Ich habe einen Verein. Wir feiern mit unseren Mitgliedern gemütlich Weihnachten. Plötzlich klopft jemand an die Tür und sagt: „Ich möchte mit euch feiern.“ Aber ich weiß ganz genau: Dieser Mensch schlägt regelmäßig seine Frau, bedroht Nachbarn und hat mehrere Frauen aus der Gegend vergewaltigt.
Möchte ich mit so jemandem am Tisch sitzen?
Nein, ich persönlich würde das ablehnen.
Hat er ein Recht, mir böse zu sein, weil ich ihn nicht einlade? Vielleicht fühlt er sich gekränkt – aber das ist sein Problem, nicht meins.
Soll ich ihn trotzdem einladen, in der Hoffnung, dass er durch unsere Gesellschaft besser wird?
Die gesamte menschliche Erfahrung – über Jahrtausende hinweg sagt: Nein. Wer Gewalt zur Gewohnheit gemacht hat, ändert sich nicht durch Einladungen. Im Gegenteil: Er nutzt die Nähe, um weiter Macht auszuüben.
Und welches Russland hat damals bei der NATO angeklopft?
Nicht irgendein friedliches Land.
Sondern ein Staat unter der Führung von Wladimir Putin, der bereits vor 2000 eine blutige Spur hinterließ – und danach systematisch eine autoritäre, repressive, gewalttätige Herrschaft aufbaute.
Bereits 1999 wurden in Russland mehrere Wohnhäuser in Moskau, Wolgodonsk, Bujnaksk und anderen Städten durch Sprengstoffanschläge zerstört – Hunderte Zivilisten starben. Die offizielle Erklärung lautete: „Tschetschenische Terroristen.“
Doch der Verdacht blieb: Hinter den Anschlägen steckte der russische Geheimdienst FSB – um Stimmung für den Krieg gegen Tschetschenien zu machen.
Der Fall von Rjasan im September 1999 bestätigte diese Befürchtung: Anwohner entdeckten in ihrem Wohnhaus Sprengstoff – und ertappten dabei FSB-Agenten, die Zünder montierten. Die Regierung erklärte später lakonisch: „Das war nur eine Übung.“
Ein Alibi, das bis heute als grotesk gilt.
Alexander Litvinenko, ein ehemaliger FSB-Offizier, der diese Zusammenhänge enthüllte, wurde 2006 in London mit Polonium-210 vergiftet – einem radioaktiven Substanz, die nur staatliche Stellen beschaffen können. Die Ermittlungen führten direkt nach Moskau.
Dann folgte der zweite Tschetschenienkrieg – ein Krieg, bei dem Städte wie Grosny systematisch dem Erdboden gleichgemacht wurden. Zehntausende Zivilisten starben. Hunderttausende wurden vertrieben. Folter, Verschwindenlassen, willkürliche Hinrichtungen gehörten zum Alltag.
Das war nicht „Sicherheitspolitik“. Das war Terror als Regierungsmethode.
Parallel dazu begann Putin, die freie Presse zu zerstören:
NTV, das größte unabhängige Fernsehnetzwerk, wurde 2001 enteignet.
TV-6 und TVS, die letzten ernsthaften Konkurrenten, wurden geschlossen.
Echo Moskwy, TV Rain, Nowaja Gaseta – alle systematisch mundtot gemacht oder aus dem Land vertrieben.
RIA Novosti wurde aufgelöst und durch das Propaganda-Organ „Rossija Segodnja“ ersetzt.
Journalistinnen und Journalisten, wurden ermordet:
Anna Politkowskaja, bekannt für ihre Berichte über Kriegsverbrechen in Tschetschenien – erschossen im Treppenhaus.
Natalia Estemirova, Menschenrechtsaktivistin – entführt und hingerichtet.
Paul Klebnikov, Chefredakteur von Forbes Russland – ermordet.
Juri Schtschekotschichin, Korruptionsjäger – an einer mysteriösen Vergiftung gestorben.
Und die politischen Gegner hat er auch nicht verschont
Boris Nemzow, ehemaliger Vizepremier und Putin-Kritiker – 2015 vor dem Kreml erschossen.
Alexei Nawalny – 2020 mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet, jahrelang inhaftiert, 2024 im Straflager gestorben.
Michail Chodorkowski – zehn Jahre Lager, heute im Exil.
Wladimir Kara-Mursa – zweimal vergiftet, zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Ilja Jaschin, Sergej Juschtschenkow, Lew Schlosberg – verfolgt, verhaftet
Das ist kein Staat, der nach Sicherheit sucht.
Das ist ein Regime, das Macht durch Angst, Gewalt und Lüge aufrechterhält.
NATO ist eine Wertegemeinschaft, gegründet auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – und jetzt wird diesem Bündnis angeboten, ein solches Regime einfach einzuladen, weil es darum bittet?
Ja, die Türkei ist in der NATO – und sie hat selbst Probleme mit demokratischen Standards. Aber selbst in Ankara sieht man nichts vergleichbar Systematisches wie in Putins Russland: keine politischen Morde im Herzen der Hauptstadt, keine staatlich orchestrierten Giftanschläge im Ausland, keine totalitäre Medienlandschaft, keinen Krieg gegen Nachbarländer unter falscher Flagge.
Doch es gibt tatsächlich Menschen, die heute behaupten, die NATO-Absage sei der Grund für Putins Aggression.
2
Die NATO hat versprochen, sich nicht nach Osten zu erweitern
Dieser Satz taucht immer wieder in Debatten über den Ukraine-Krieg auf – oft als angeblicher historischer Beweis für westliche Schuld. Doch die historischen Fakten sprechen eine andere Sprache.
Tatsächlich hat Michail Gorbatschow selbst widersprüchliche Aussagen zu diesem Thema gemacht: Einmal behauptete er, es habe mündliche Zusicherungen gegeben, später revidierte er diese Darstellung und betonte, es sei niemals von einer dauerhaften, vertraglich bindenden Beschränkung der NATO-Osterweiterung die Rede gewesen. Erklärt hat er das damit, dass zu dem damaligen Zeitpunkt der Warschauer Pakt bestand und es konnte gar nicht zu Debatte stehen, dass die Osteuropäischen Länder sich irgendwie Richtung NATO bewegen.
Das Versprechen von Hans-Dietrich Genscher im Rahmen der Verhandlungen im Jahr 1990 – im Kontext der deutschen Wiedervereinigung – betraf ausschließlich das Gebiet der DDR. Damals erklärte Außenminister Hans-Dietrich Genscher klar:
„Die NATO wird sich nicht nach Osten ausdehnen.“
Gemeint war damit konkret: Keine Stationierung von NATO-Truppen auf dem ehemaligen DDR-Gebiet.
Und dieses Versprechen wurde eingehalten – über Jahrzehnte hinweg blieb das Gebiet der ehemaligen DDR militärisch weitgehend entmilitarisiert.
Manche argumentieren heute mit nicht-dokumentierten Gesprächen – etwa einem angeblichen Zitat des US-Senators Robert Dole aus einer privaten Unterhaltung. Doch Außenpolitik funktioniert nicht durch Smalltalk oder Einzelaussagen.
Bindende Zusagen entstehen durch Verträge, die ratifiziert werden – im US-Kongress, im NATO-Rat (wo Einstimmigkeit aller Mitglieder erforderlich ist) oder durch internationale Abkommen.
Ohne Ratifizierung ist eine Aussage politisch bedeutungslos – sie mag gut gemeint sein, aber rechtlich und strategisch nicht verbindlich. Der Politiker, der diese Aussage getroffen hat, wird seinen Posten früher oder später verlassen, und sein Versprechen geht mit ihm. Deswegen setzt man auf die Ratifizierung solcher Versprechen.
Aber selbst wenn man die historische Frage beiseitelegt – lohnt sich ein logischer Blick auf die Sache selbst:
Was ist die NATO eigentlich?
Sie ist eine kollektive Verteidigungsallianz, gegründet als Gegenstück zum Warschauer Pakt. Ihre Kernfunktion: Angriff auf ein Mitglied = Angriff auf alle. In keinem Punkt des NATO-Paktes steht, wenn einer einen Angriffskrieg führt, müssen die anderen auch angreifen.
Sie ist defensiv, nicht offensiv – und kein Expansionsprojekt, sondern eine Sicherheitsgemeinschaft. Jemand, der das Gegenteil behauptet, soll mir im NATO Vertrag eine Stelle zeigen, die darauf hindeutet, dass sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, Angriffskriege zu unterstützen.
Und wann wird eine NATO-Osterweiterung tatsächlich gefährlich für Russland?
Nehmen wir Estland als Beispiel:
Ein kleines Land mit rund 1,3 Millionen Einwohnern, an der Ostgrenze der EU. Estland trat der NATO 2004 bei – auf eigenen Wunsch, nach jahrzehntelanger sowjetischer Besatzung.
Was genau fürchtet Russland hier?
Dass estnische Soldaten die russische Grenze angreifen? Dass NATO-Truppen von Tallinn aus in Richtung Moskau marschieren?
Das widerspricht jeder militärischen Realität – und auch dem Grundprinzip der NATO.
Was Putin zu seinen Befürchtungen sagt: Seiner Meinung nach können die NATO-Staaten trotz ihrer ständigen Bemühungen, Russland Recht zu machen, dennoch Raketen in Russlands Nähe stationieren. Sein Argument: Ihr wisst doch, wie die NATO ihre Entscheidungen trifft.
Und an dieser Stelle stellt sich die Frage: Sollen wir uns Putin unterbeugen und das machen, was er von uns verlangt, oder reicht es aus, eine offene und transparente Politik gegenüber Russland zu führen? Soll es wirklich unser Problem sein, dass er uns trotz aller Offenheit, Transparenz und Zurückhaltung bei der Stationierung von Truppen und Waffen nicht glaubt?
Ich finde: Je mehr europäisches Territorium wir sichern und je mehr Staaten es um uns herum gibt, die auf den gleichen Werten basieren, desto sicherer können wir uns fühlen. Denn wenn er sich zum Beispiel in den baltischen Ländern breitmacht, führt das dazu, dass uns Staaten nach dem russischen Format umzingeln. Welche Folgen das haben kann, ist ein breites Thema, das eines eigenen Beitrags wert ist.
Deswegen, finde ich, sollen wir russische Sicherheitsinteressen berücksichtigen und diese auch ernst nehmen, dennoch soll uns kein Putin dieser Welt vorschreiben, welche Länder sich sicher fühlen und in unserem Wertesystem existieren können.
3.
Putin wollte kein NATO an seiner Grenze haben. Also wollte er um jeden Preis verhindern, dass die Ukraine NATO beitritt.
Am 1. Juli 2010 verabschiedete die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, das Gesetz „Über die Grundlagen der Innen- und Außenpolitik“. Darin wurde ausdrücklich der Status der Nicht-Ausrichtung (Non-Alignment) festgeschrieben:
Die Ukraine verpflichtete sich, weder militärischen noch politischen Bündnissen beizutreten – also auch nicht der NATO.
Am 15. Juli 2010 unterzeichnete Präsident Wiktor Janukowytsch das Gesetz. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine ernsthafte Debatte über eine NATO-Mitgliedschaft. Die Ukraine schien auf einen neutralen Kurs festgelegt.
Doch vier Jahre später änderte sich alles – radikal.
Am 23. Dezember 2014 hob das Parlament diesen Neutralitätsstatus offiziell auf und verabschiedete ein neues Gesetz, das die europäische und euroatlantische Integration – inklusive einer möglichen NATO-Mitgliedschaft – zur strategischen Leitlinie erklärte.
Was war in der Zwischenzeit geschehen?
Im Februar 2014 überfiel Russland die Ukraine.
Am 27. Februar landeten unmarkierte russische Truppen auf der Krim – später als „höfliche Männer“ verharmlost.
Im März 2014 vollzog Russland die Annexion der Halbinsel, unter Missachtung des Völkerrechts, des Budapester Memorandums von 1994 und eigener völkerrechtlicher Zusagen.
Doch damit nicht genug:
Am 12. April 2014 marschierte der ehemalige FSB-Offizier Igor Girkin (alias „Strelkow“) mit rund 50 bewaffneten Männern in die Stadt Slawjansk im Donezker Gebiet ein – und startete damit den bewaffneten Konflikt im Donbass.
Girkin selbst gab später zu: Sein Auftrag war es, eine Separatistenbewegung zu inszenieren und die Lage im Osten der Ukraine zu destabilisieren – mit direkter Unterstützung aus Moskau.
Innerhalb weniger Wochen wurde klar:
Russland führte nicht nur einen hybriden Krieg, sondern verfolgte das Ziel, die souveräne Ukraine zu spalten, zu schwächen oder unter Kontrolle zu bringen.
In dieser Situation war der Schritt zur Aufgabe der Neutralität nicht provokant – sondern existenziell.
Wenn ein souveräner Staat von einem militärisch überlegenen Nachbarn überfallen wird, wenn seine Armee kaum gewappnet, seine Territorien besetzt und seine Bürger getötet oder vertrieben werden, dann ist es nicht nur legitim, sondern rational und menschlich verständlich, um Schutz zu bitten.
Die Ukraine klopfte nicht aus Expansionslust an die Tür der NATO,
sondern aus Verzweiflung, aus Selbsterhaltungswillen, aus der Erfahrung, dass Neutralität keine Sicherheit bietet, wenn der Angreifer das Recht des Stärkeren durchsetzt.
Und hier liegt der entscheidende Punkt:
Die NATO-Mitgliedschaft war 2010 kein Ziel – weil es keinen Grund dafür gab.
2014 wurde sie zum Ziel – weil Russland sie zur Notwendigkeit machte.
Ob die NATO tatsächlich Schutz bot oder nur symbolische Hoffnung – das ist eine andere Frage.
Aber die Entscheidung der Ukraine, ihre Neutralität aufzugeben, war keine Provokation, sondern eine Reaktion auf eine bereits laufende Aggression.
4.
Putin hielt eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, aber keiner hat ihn ernst genommen
Aber Worte allein verändern keine Realität – erst das Handeln dahinter verleiht ihnen Gewicht.
Und Putins Handeln seit jener Rede spricht Bände:
1999–2009: Krieg in Tschetschenien – mit der systematischen Zerstörung ganzer Städte, darunter Grosny, und Zehntausenden zivilen Opfern.
2008: Überfall auf Georgien – Besetzung Abchasiens und Südossetiens, völkerrechtswidrig und ohne Provokation.
Ab 2014: Invasion und Annexion der Krim, Unterstützung bewaffneter Separatisten im Donbass, offene Kriegsführung unter falscher Flagge.
Gezielte Vernichtung der Opposition: Vergiftung von Alexej Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok, Ermordung von Boris Nemzow, Inhaftierung und Tod politischer Gegner.
Massive Aufrüstung: Modernisierung von Atomwaffen, Entwicklung neuer Waffensysteme, ständige militärische Provokationen an NATO-Grenzen.
Hybrider Krieg gegen den Westen: Systematische Desinformationskampagnen, Wahlmanipulation, Cyberangriffe, Destabilisierung demokratischer Institutionen – mit dem Ziel, Europa und die transatlantische Gemeinschaft zu spalten.
Vor diesem Hintergrund war die Münchner Rede kein diplomatischer Appell, keine ehrliche Warnung vor Missverständnissen.
Sie war die öffentliche Ankündigung einer imperialen Doktrin:
Russland beansprucht eine exklusive Einflusssphäre – und lehnt das Recht souveräner Staaten ab, ihre eigene Sicherheitspolitik selbst zu bestimmen.
Die Tragödie liegt nicht darin, dass man Putin nicht verstanden hätte.
Die Tragödie liegt darin, dass man zu lange hoffte, er würde sich an Regeln halten – trotz aller Beweise für das Gegenteil.
Die Münchner Rede war keine Warnung.
Sie war ein Manifest der Revanche – und der Westen hat es erst viel zu spät als solches erkannt.
5
Amerika hätte es nicht geduldet, wenn Mexiko der NATO beigetreten wäre.
Richtig – aber dieser Vergleich hinkt völlig.
Nehmen wir Mexiko:
Dort gibt es zahlreiche chinesische Investitionen – in Häfen, Straßen, Logistikzentren, Energieinfrastruktur. China baut wirtschaftlichen Einfluss auf, so wie viele andere Länder auch.
Führt die USA deshalb Krieg gegen Mexiko?
Natürlich nicht.
Warum? Weil Mexiko souverän bleibt, keine fremde Armee auf seinem Boden stationiert, keine Raketen gegen die USA richtet und keine Aggression gegen seine Nachbarn startet.
Stellen wir uns aber vor, China würde in Mexiko Mittelstreckenraketen stationieren – möglicherweise sogar nuklear bestückt, mit Reichweite bis ins Herz der USA.
Stellen wir uns vor, China würde militärische Stützpunkte errichten, Geheimdienstoperationen gegen die USA von mexikanischem Boden aus führen und mexikanische Streitkräfte unter chinesische Kommandostruktur stellen.
Dann würde die USA nicht nur „nicht dulden“ – sie würde militärisch intervenieren. Und – unter den Regeln klassischer Sicherheitspolitik – wäre das sogar verständlich, vielleicht sogar gerechtfertigt.
Aber solange Mexiko frei entscheidet, mit wem es Handel treibt, wer seine Häfen baut oder welche Technologie es nutzt – solange es keine Bedrohung darstellt, sondern lediglich seine Souveränität ausübt, keine Raketen Richtung Amerika richtet, keine Truppen an die Grenze zieht, hat niemand das Recht, ihm vorzuschreiben, welche Partner es wählen darf.
Genau hier liegt der entscheidende Unterschied:
Es geht nicht um wirtschaftliche oder politische Annäherung an eine fremde Macht,
sondern darum, ob diese Annäherung mit Aggression, militärischer Eskalation und Untergrabung der Nachbarschaft verbunden ist.
Russland tut all das.
Es besetzt fremde Territorien, führt Krieg gegen Nachbarstaaten, stationiert taktische Atomwaffen in Belarus – direkt an der NATO-Grenze – und erklärt offen, es wolle die europäische Sicherheitsordnung zerstören.
Mexiko tut nichts dergleichen.
Und deshalb ist der Vergleich nicht nur irreführend – er verdeckt die eigentliche Frage: Nicht „Wer darf mit wem zusammenarbeiten?“,
sondern „Wer greift andere an – und wer verteidigt sich?“
6
Osteuropa  und insbesondere die Ukraine, Weißrussland, Moldova und die baltischen Länder  waren schon immer ein russisches Einflussgebiet.
Genau diese Aussage war und ist es, die Millionen Menschen in Osteuropa bis heute in Angst versetzt.
Nicht, weil sie den Westen idealisieren, sondern weil sie aus eigener Erfahrung wissen, was es heißt, unter die „Walze des russischen Imperialismus“ zu geraten.
Nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 besetzte die Sowjetunion binnen weniger Monate:
das Baltikum (Estland, Lettland, Litauen),
Ostpolen,
Bessarabien (heute Moldau),
und ganz Westukraine.
Was folgte, war keine „friedliche Integration“, sondern systematischer Terror:
Estland: ca. 60.000 Menschen deportiert oder exekutiert – das entspricht 10–15 % der damaligen Bevölkerung.
Lettland: rund 70.000 Opfer.
Litauen: über 130.000, allein im Juni 1941 mehr als 20.000 in wenigen Tagen.
Westukraine: über 500.000 Menschen – durch Massenhinrichtungen, Hunger, Zwangsarbeit und den Gulag.
Moldau: mindestens 53.000 Deportierte, viele starben in sibirischen Lagern.
Ganze Familien wurden mitten in der Nacht aus ihren Häusern gezerrt, in Güterwagen gepfercht und in die Gulags Sibiriens geschickt.
Viele überlebten die Kälte, den Hunger, die Zwangsarbeit nicht.
Die Überlebenden trugen dieses Trauma weiter – an ihre Kinder, Enkel, ganze Nationen.
Dieses kollektive Gedächtnis lebt bis heute.
Und es ist der Grund, warum die baltischen Staaten, Polen, Rumänien – und später die Ukraine – nicht aus „Anti-Russland-Haltung“,
sondern aus existenziellem Selbsterhaltungswillen um NATO-Mitgliedschaft baten.
Ihre Forderung nach Schutz ist keine Provokation – sie ist ein Schrei nach Sicherheit.
Und was sehen wir heute – auf den seit 2014 und 2022 von Russland besetzten Gebieten der Ukraine?
Dasselbe Muster – im 21. Jahrhundert:
Zwangsdeportationen: Laut UN wurden mindestens 19.500 ukrainische Kinder nach Russland verschleppt (Stand: 2024) – systematisch, organisiert, oft unter falschen Versprechungen.
„Filtrationslager“: Zehntausende Ukrainer durchlaufen diese Lager; viele verschwinden spurlos, Berichte über Folter und Hinrichtungen häufen sich.
Eigentumsraub: Häuser, Autos, Unternehmen werden konfisziert und an russische Siedler vergeben – eine moderne Form der Kolonisierung.
Zwangsrekrutierung: Männer aus besetzten Gebieten werden gegen ihren Willen in die russische Armee gepresst – um gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen.
Kulturelle Auslöschung: Ukrainische Sprache verboten, Schulen „russifiziert“, Lehrer entlassen oder verhaftet, Bücher verbrannt.
Das ist keine „Sicherheitspolitik“.
Das ist Imperialismus – pur, brutal und unverhohlen.
Unter diesen Umständen:
Kann irgendjemand diesen Ländern wirklich übelnehmen, dass sie – sobald sich die Gelegenheit bot, den Schutz einer Wertegemeinschaft suchten. Nein.
Ihre Entscheidung war nicht anti-russisch – sie war pro-souverän.
Und sie war menschlich absolut nachvollziehbar.
7.
Die NATO wollte Russland überfallen, um seine Bodenschätze zu rauben
Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache.
Wenn die NATO tatsächlich Russland „bedrohen“ oder gar „überfallen“ wollte – wann wäre der günstigste Zeitpunkt dafür gewesen?
1994 Russland befand sich damals am Tiefpunkt seiner wirtschaftlichen und militärischen Schwäche: Hyperinflation, Zusammenbruch der Industrie, politische Instabilität. Genau in diesem Moment besaß die Ukraine das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt – Erbe der Sowjetunion.
Hätte der Westen Russland wirklich schwächen wollen, hätte er der Ukraine geraten:
"Behalte deine Atomwaffen – sie sichern deine Souveränität.“
Stattdessen tat das Gegenteil statt:
Die USA und Großbritannien überzeugten die Ukraine, ihr gesamtes nukleares Arsenal nicht mal zu zerstören – sondern explizit an Russland zu übergeben:
Die strategischen Interkontinentalraketen wurden demontiert – ihre Sprengköpfe gingen an Russland.
Die strategischen Bomber wurden ebenfalls an Russland überstellt oder verschrottet – unter russischer Aufsicht.
Warum?
Außerdem unterstützte Amerika Russland, indem es das Land mit günstigen Lebensmitteln versorgte, damit in Russland keine Hungersnot ausbricht. Europa hat ebenfalls in diesen schwierigen Zeiten geholfen. Genauso wollte sich die NATO angeblich alle russischen Schätze schnappen. Wer in diesem Verhalten die aggressiven Absichten der NATO-Länder gesehen hat, kann sich mit einer Tafel Schokolade belohnen.
Wenn die NATO Russland „bedrohen“ wollte – warum hat sie es nicht getan, als sie es leicht hätte tun können?
Nehmen wir Estland:
Es grenzt direkt an Russland. Von dort aus ist St. Petersburg in Minuten mit modernen Raketen erreichbar. Wenn die NATO wirklich „nur davon träumt, Russland anzugreifen“ – warum stationierte sie dort keine Atomwaffen? Keine Mittelstreckenraketen? Keine Angriffstruppen?
Die Antwort ist einfach:
Weil die NATO eine defensive Allianz ist. Sie existiert nicht, um Imperien zu erobern, sondern um Mitglieder vor Aggression zu schützen.
Und doch verbreiten manche die Fantasie, dass die NATO –
die weder 1994 noch 2004 noch 2014 Atomwaffen in Osteuropa stationierte –
plötzlich 2022 plant, von der Ukraine aus Moskau zu bombardieren.
Dabei gab es bis 2022 keine einzige NATO-Truppe auf ukrainischem Boden,
keine NATO-Basen, keine Angriffswaffen, nicht einmal eine Mitgliedschaft der Ukraine.
Außerdem hat NATO mit Russland mehrere gemeinsame Programme gestartet, die Transparenz und Offenheit in der Beziehung zwischen NATO und Russland brachten.
1. Partnership for Peace (PfP) – seit 1994
Ein Kooperationsprogramm der NATO mit nicht-bündnisgebundenen Ländern, darunter auch Russland (seit 1994).
Ziel: Vertrauensbildung, militärische Transparenz, gemeinsame Übungen, Demokratisierung der Streitkräfte.
Russland beteiligte sich aktiv – inklusive Austausch von Militärpersonal, Beobachtern bei Übungen und gemeinsamen Krisenmanagement-Trainings.
Es ermöglichte russischen Offizieren, zeitweise an NATO-Hauptquartieren (z. B. in Brüssel oder Mons, Belgien) zu arbeiten – meist in Verbindungs- oder Beobachterfunktionen, nicht in operativen oder entscheidungstragenden Rollen.
2. Permanent Joint Council (PJC) – 1997–2002
Erster formeller Rahmen für NATO-Russland-Dialog, geschaffen durch die „Founding Act on Mutual Relations, Cooperation and Security“ (1997).
Russland erhielt hier erstmals einen institutionalisierten Gesprächskanal mit der NATO – aber kein Vetorecht.
Es gab regelmäßige Treffen auf Botschafter-, Minister- und Generalstabsebene.
Russische Militärvertreter waren gelegentlich in NATO-Hauptquartieren präsent, etwa als Verbindungsoffiziere.
3. NATO-Russland-Rat (NRR) – seit 2002
Nach dem 11. September 2001 intensivierte sich die Zusammenarbeit; der PJC wurde durch den NRR ersetzt.
Im NRR wurden Themen wie Terrorismusbekämpfung, Sucht- und Rauschgiftprävention, U-Boot-Rettung, Flugsicherheit und später auch logistische Unterstützung für die NATO-Mission in Afghanistan (z. B. Transit durch russisches Gebiet) behandelt.
Russland hatte eine gleichberechtigte Stimme im Rat – aber keine Mitbestimmung über NATO-Entscheidungen.
Russische Offiziere waren regelmäßig in NATO-Hauptquartieren vertreten, etwa im NATO-Hauptquartier in Brüssel oder im Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) in Mons (Belgien) –
→ meist als Verbindungs- oder Liaison-Offiziere, manchmal auch in gemeinsamen Arbeitsgruppen.
Gleichzeitig bis 2022 stationierte die NATO:
1.000 Soldaten in Polen,
1.000 in Rumänien,
Luftabwehrsysteme (defensiv, nicht angriffsfähig).
In der gleichen Zeit hat Russland:
Seit 2014: Dauerhafte Präsenz von über 100.000 Soldaten entlang der ukrainischen Grenze.
2014: Annektierung der Krim – und sofortige Stationierung schwerer Waffen, Luftwaffe und Marine.
In Kaliningrad: Stationierung von Iskander-Mittelstreckenraketen – nuklear aufrüstbar, mit Reichweite bis tief ins NATO-Gebiet.
Seit 2022: Wiederholte nukleare Drohungen – inklusive der Androhung, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren.
Und während die NATO keine neuen Atomwaffen entwickelt und sich an Abrüstungsverträge (solange sie galten) hielt, modernisiert Russland systematisch sein gesamtes nukleares Arsenal – und nutzt es als politische Erpressungswaffe.
8.
NATO war in Jugoslawien und Afghanistan – also ist sie gefährlich.
Dieser Satz verwechselt Notwehr mit Aggression – und blendet entscheidende Kontexte aus.
Jugoslawien (1999):
Die NATO griff erst ein, nachdem der UN-Sicherheitsrat durch russische und chinesische Vetos handlungsunfähig war und nachdem der Völkermord an der albanischen Bevölkerung im Kosovo durch UN-Missionen, Amnesty International und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz dokumentiert war.
Ziel war nicht Eroberung, sondern Beendigung eines Massakers.
Afghanistan (2001):
Der Einsatz erfolgte mit ausdrücklichem UN-Mandat (Resolution 1368) als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September,nachdem die Taliban Al-Qaida Schutz gewährten und sich weigerten, Osama bin Laden auszuliefern. Auch hier: kein Angriffskrieg, sondern kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta.
Und Russland?
Seit 2008 hat Russland 4 mal die territoriale Integrität souveräner Staaten verletzt:
Georgien (2008),
Ukraine (2014: Krim und Donbass),
erneut Ukraine (2022: Vollinvasion),
und dauerhafte militärische Einmischung in Moldau (Transnistrien).
Und während Russland über 20 UN-Sicherheitsratsresolutionen zur Ukraine blockiert hat, hat es nie einen einzigen eigenen Antrag zur angeblichen „Bedrohung der Russophonen“ oder „Bombardierung des Donbass“ eingebracht.
Warum nicht?
Weil es kein Opfer, sondern der Angreifer ist. Hätte es wirklich Beweise für Massaker gegeben – warum dann nicht vor die Weltöffentlichkeit treten?
Stattdessen: Propaganda, Desinformation – und Krieg.


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