Antwort auf den Beitrag "Re:Das Phänomen Latenz" posten:
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>Das Gehirn arbeitet verhältnismäßig langsam. Es hat damit das gleiche Problem wie Videospiele. Bevor das Bild auf dem TV erscheint muss eine ganze Menge passieren, und so entsteht eine gewisse Latenz zwischen der Situation wie sie "ist" und dem Moment wo wir die Situation "sehen". > >Um diese Latenz zu minimieren arbeitet das Gehirn offenbar mit Tricks. Das heißt unser Wahrnehmungsraum, also quasi das was dir das Gehirn zusammenbaut und was du als direkte Wirklichkeit empfindest, speist sich nicht ausschließlich aus sensorischen Informationen (Was senden deine Augen, deine Ohren, deine Nase, deine Nerven usw.) sondern auch aus "simulierten" Informationen, Dingen, die noch nicht passiert sind in der Wirklichkeit, wo das Gehirn jedoch schon weiß dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit passieren werden, und mischt sowas auch rein. > >Du selbst bekommst halt diesen Wahrnehmungsraum, kannst in diesem aber natürlich nicht mehr unterscheiden, was davon ist Sensorik (Informationen aus einer sehr zeitnahen Vergangenheit die erst in einen Wahrnehmungsraum übersetzt werden muss was halt Zeit kostet) und was davon ist Simulation/Antizipation. Informationen die aus einer Simulation stammen die das Gehirn permanent betreibt und die auch reingemischt werden, die aber komplett "gedacht" sind und gar nicht über die Sensoren deines Körpers kommen. > >Das Gefühl was man hat, nämlich dass das was man siehst etc. "echt" und quasi "direkt" ist, ist entsprechend eine Illusion. Das ist physikalisch eh nicht möglich. Dass es einen "Lag" gibt ist hierbei aber nicht die große Überraschung, sondern eben dass es eine Mischung aus "Sensorik" und "Vorhersage" ist. > >Man kann dieses Phänomen auch mit unterschiedlichen Experimenten illustrieren. Nehmen wir das Phänomen Schmerz. Irgendwas passiert irgendwo an deinem Körper, deine Nervenstränge senden das ins Gehirn, und es entsteht in deinem Wahrnehmungsraum das Schmerzgefühl an einer bestimmten Körperstelle. >Das versteht man, das würde man ja auch erwarten wenn man darüber nachdenkt wie sowas im Körper funktioniert. > >Setzt man dich jedoch an einen Tisch und zieht dir einen Gummihandschuh über, lässt dich die Hand auf den Tisch legen, verdeckt jedoch die Hand und legt direkt daneben eine künstliche Hand mit Gummihandschuh, so dass es für dein Gehirn so ausschaut als sei das deine Hand, und dann haut jemand mit einem Hammer auf die künstliche Hand und du siehst das, entsteht bei sehr vielen Testpersonen ein authentisches und echtes Schmerzgefühl in der Hand. Wo kommt das her? Die Nervenstränge deiner echten Hand haben ja nie was gesendet. Eben aus dieser antizipierten Zukunft die stetig simuliert wird. Und damit sehen wir auch, auch aus dieser Simulation von Dingen die eigentlich passieren sollten, dann aber doch nicht passieren, erzeugt echte und authentische Wahrnehmungen. > >Beim Thema Schmerz sieht man ja auch schnell was der Vorteil ist. Je früher ich den Schmerz spüre, umso schneller kann ich auf den Schmerz reagieren. Und je schneller ich auf Schmerz reagiere, umso weniger Schaden nehme ich davon was den Schmerz auslöst. Und es geht auch noch weiter, nämlich zum unbewussten Reflex des Hand wegziehens, wo du gar nicht die Entscheidung triffst die Hand zu ziehen, warum auch, du weißt ja dass das nicht deine Hand ist, dein Körper tut das aber trotzdem. > >Es ist auch in anderen Szenarien ganz praktisch dass da so eine permante Simulation läuft, etwa wenn dir jemand einen Ball zuwirft und du schon unbewusst ausrechnest wo der hingeht und so besser fangen kannst, aber auch schon beim normalen Gehen dass Körperbewegungen auch Zugang zu dem haben was permanent antizipiert wird. Wo es ja auch lustig ist wenn es einen Wirklichkeitsbruch zur Antizipation gibt und du merkst wie schwierig es wird auf sowas noch zu reagieren. Etwa wie es einen auf links dreht wenn man eine Treppe besteigt, eigentlich noch eine Stufe antizipiert und da keine mehr ist, oder auf der Straße in ein Loch tritt. Wie einen solche does not compute Momente komplett auf links drehen und man merkt wie schwierig es ist wenn man plötzlich in Echtzeit reagieren muss und sich dabei auch gerne mault weil dieser vermeintlich kleine Lag nun volle Kanone reinhaut. > >Und wo es richtig wild ist das was FWE verlinkt hat, die unbewusste Entscheidung die als bewusste illusioniert wird. Man kann ja diese Simulation der nahen Zukunft einfach als Performance-Trick begreifen. Ja, dein Wahrnehmungsraum beschwindelt dich ein Stück weit und der Schwindel wird vom Schwindler (deinem Gehirn) vor dir versteckt, aber joa, das ist schon sehr akademisch da von Betrug zu sprechen, es ist halt ein cleverer Trick dass da halt ständig diese Vorhersagemaschine läuft und sich auch Vorhersagen im Wahrnehmungsraum ein wenig einmischen. Faszinierend dass diese Maschine dann auch "echte" Wahrnehmungen erzeugt obwohl das gar nicht über die Sensoren kommt, aber da kann man auch fünfe gerade sein lassen. > >Doch es geht weiter, nämlich eben mit dem Phänomen was FWE verlinkt. Versuchsaufbauten wo Rezipienten zu unbewussten Entscheidungen gezwungen werden, und dann hinterher im Interview auf ihre Mutter schwören, dass sie diese Entscheidung aktiv und bewusst selbst getroffen haben. Hier wird man von seinem Verstand aktiv belogen, und folgerichtig stellt sich da vor allem die Frage, warum gibt es im Gehirn überhaupt so einen Mechanismus der sowas tut? Warum passiert das? Und wie weit reicht eigentlich dieser Betrug? Passiert das nur da wo man es entlarven kann, oder passiert es quasi permanent und das eigene Selbstbild des bewusst entscheidenden Wesens ist auch insgesamt eine Illusion? > >Genau bei diesem Phänomen klinkt sich dann auch Penrose ein, mit der These, das Gehirn sei eine Art Quantencomputer in dem Quantenphänomene wie Zeitsprünge stattfinden. Wir also auch in solchen Experimenten nicht von unserem Verstand getäuscht werden, sondern auch da aktive Entscheidungen treffen weil wir Zugang zu Informationen haben die aus der Zukunft kommen. > >Ist ein wie ich finde sehr spannender Komplex in dem sehr vieles, was wir intuitiv niemals in Frage stellen würden, ordentlich rumrumpelt wenn man genauer hinsieht, und der Komplex ist mit den aktuellen AI-Entwicklungen auch brandaktuell.
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