Thema:
Fazit: das beste Spiel aller Zeiten flat
Autor: thestraightedge
Datum:09.02.15 10:16
Antwort auf:GTA V #8 - Harder, Better, Faster, Stronger von Steppenwolf

Es wird Zeit für ein Resümee... Die Story ist durch, die meisten Nebenmissionen erledigt, ich stehe um 90%.

Ich spiele seite 25 Jahren aktiv, habe hunderte wenn nicht tausende Titel gespielt, und nur alle paar Jahre begegnet mir ein Spiel von diesem Kaliber, und nur alle paar Jahrzehnte eins mit diesem nachhaltigen Stellenwert. Sicher ist so ein Eindruck auch immer Ausdruck von persönlichem Geschmack, Vorlieben und Stil - hier passt für mich einfach alles zusammen.


Das Spiel als Gesamtpaket ist für mich einfach ein Meilenstein, ein One in A Million, eine Revolution. Man könnte sagen: es macht aber doch wenig neu?! Open World, Autofahren, rumballern, markige Sprüche - alles seit Jahren Standard in der Serie. Aber nicht SO. Und mit SO meine ich auch den Sprung auf der Next Gen. Ich habe es auf der Old Gen angespielt, das war gut und technisch beeindruckend - was Rockstar aber aus den neuen Kisten schon recht kurz nach Launch kitzelt ist schlichtweg UMWERFEND.

Die Technik muss man dann auch direk am Anfang mal herausstellen: Der Detailgrad jedes Objektes, ob Gebäude, Auto, Hirsch oder Felsens, die Weitsicht, die Lichtspiele, das Wasser, die Partikel- und Nebeleffekte bzw. das Wettersystem allgemein und besonders in der Nacht bei Regen, der Detailgrad vieler Texturen, die makellose Umsetzung des First Person Modus in allen Situation, das Gefühl des "Körpers" welches gut vermittelt wird - das alles ist bisher nicht nur in einem Open World Spiel nie dagewesen, sondern setzt auch unabhängig davon Maßstäbe.

Die Missionen bzw. die Story sind so gut wie nie. Es gibt großartige, aufregende, aufwühlende, mitreissende, spannende, lustige, plumpe Momente. Keine Mission spielt sich die wie andere, es sind massive Fortschritte gegenüber den Vorgängern zu erkennen. Das Spiel bleibt über 70 Hauptmissionen und unzählige Nebenaufgaben unglaublich stark. Die Heists allein hätten andere Publisher als eigenständiges Spiel verkauft, die Nebenbeschäftigungen sind mindestens gut spielbar, meist sogar richt unterhaltsam und komplex (Tennis, Flugschule, ...), die Fremden & Freaks Missionen so abgedreht wie unterhaltsam.

Die Komplexität und Detailgrad (s.u.) der Welt ist das, was einen komplett einnimmt. Die Reaktionen im Radio auf den Spielverlauf, die zahlreichen sozialen Kontakte, ein funktionierendes Internet, alles ist verbunden, nichts wirkt isoliert; aktive Lokalitäten und Co., eine funktionierende Stadt mit allen Regeln und Abläufen, der Kontrast zu den ländlichen Gebieten und dem Hinterland - das alles ist so wohl und glaubhaft aufeinander abgestimmt dass man auch nach 50 Std. noch staunt. Nichts wiederholt sich, jede Häuserzeile ist individuell, selbst doppelte Texturen muss man mit der Lupe suchen. Wer zur Hölle hat das alles gemalt, gebaut und sich ausgedacht? Hätte jemand das Absperrband samt Befestigungsmöglichkeit vor den Zugängen zu den Lifeguard-Buden am Strand vermisst? Oder die Stromleitung dahin, weil sie tlw. Abends beleuchtet sind?

Die Charaktere sind so überdreht wie nie, und gleichzeitig so facettenreich und unterhaltsam wie es nur geht. Der Kniff mit 3 spielbaren Protagonisten funktioniert unfassbar gut, weil das Spiel sich mit den jeweiligen Typen auch tatsächlich anders spielt. Die ersten Stunden mit Trevor im Outback sind ein krasser Kontrast zu den Missionen in der Stadt kurz vorher. Der Tapetenwechsel wirkt glaubhaft und nicht aufgesetzt.

Der Sound steht allem in Nichts nach. Der Soundtrack ist eine perfekte Mischung aus Underground und bekannten Künstlern, passt perfekt nach Los Santos. Da hat man mal wieder unglaublich Fingerspitzengefühl bewiesen, was auch für die Auswahl auf dem Soundtrack auf CD/LP gilt. Der Score von Tangerine Dream u.a. sowie DJ Shadow als Mixer ist ebenfalls Spiele- und Film-übergreifend das beste der letzten Jahre. Kann man sich einfach so anhören, passt immer perfekt zu den Missionen. Der Rest des Sounds ist ebenso großartig, vom Voice Acting aller Dialoge bis zu den Geräuschen der Stadt.


Ich habe so unglaublich viele gute Momente mit dem Spiel erlebt, die ich aber nicht im Detail spoilern möchte. Mal fliegt alles um einen herum durch die Luft, mal fährt man abstruse Charakter durchs Hinterland, mal schleicht man zum Geld oder Opfer, man lässt Flugzeuge abstürzen, fährt mit dem Mountainbike Berge runter, und ein anderes Mal ballert man aus vollen Rohren und walzt mit einem LKW Barrikaden nieder.
Dazu zeichnet Rockstar wie üblich eine bitterböse Gesellschafts-Kritik mit schwer satirischen Zügen, geht aber auch ernsthaft Themen wie Freundschaft, Vergangenheitsbewältigung usw. an, erstellt glaubhafte Psychogramme von gleich 3 völlig unterschiedlichen Charaktern und regt zum Nachdenken an, ohne jemals schwermütig zu wirken.

Der Detailgrad der Welt ist unglaublich, banale Beispiele hierzu:
- Die Musik aus den Autos klingt bei geschlossener Tür, bei gebrochener Heckscheibe im Schulterblick usw. jeweils anders, sprich: korrekt
- die Abgase am Auto verhalten sich korrekt
- selbst kleinste Lichtquellen wie das Mobiltelefon spenden korrekt Licht in die Umgebung
- die Autoradios zeigen Radiosender und Interpreten im FPS-Modus
- im Tunnel ist das GPS-Signal weg
- wenn Fußgänger bei Ampelwechsel noch nicht über die Strasse sind beeilen sie sich (kann auch Einbildung von mir sein, haha)
- öffentliche Gebäude haben korrekt ausgewiesene Sammelpunkte für Notfälle
- Fußabdrücke im Sand, Geräusche unter den Füßen auf Glassplittern anders, ...
- wer denkt dran, hochauflösende Graffitis auf die Vinewood-Letter zu pappen, die man nur per Zielfernrohr überhaupt wahrnimmt? Und verdammt, ich habe vor 10 Jahren mal eine Doku gesehen dass die Hollywood-Buchstaben für Graffitis eine der prominentesten Locations in California sind.
- Flip Flops!
- usw. ...

Meckern geht nur auf hohem Niveau:
- das Finanzsystem bleibt imba. Es gibt viel zu kaufen aber im regulären Spiel kaum Geld dafür.
- den Aktienmarkt und die Wechselwirkungen mit den Missionen erkennt man ohne Guide kaum. Hier ist man fast darauf angewiesen einige Aktienkäufe schon VOR Start der Mission zu tätigen, da der Ertrag sonst überschaubar bleibt.
- Das Spiel ist zu leich. Die letzten Missionen liefen bei mir alle ohne auch nur einen Tod ab, ich fühlte mich wenig herausgefordert
- hier und da erkennt man an Gesichtern und Mimik noch Luft nach oben und v.a. die Herkunft aus der LastGen
- ganz selten Slowdowns bei schnellen Fahrten durch die Stadt

Für mich dennoch das beste Spiel aller Zeiten. Ohne Übertreibung, aber sicher mit ein bisschen Pathos. Ich bin dankbar, dass ich sowas erleben darf, und ziehe meinen Hut vor Rockstar. Das, was hier auf technischer, emotionaler, auf Spielwert- und Unterhaltungsebene abgeliefert wurde sucht imo genreübergreifend aktuell seinesgleichen und kann sich selbst mit anderen Kunstformen (Spiele, Bücher, Filme, Musik, ...) messen. Ich hoffe, jeder der unzähligen Mitwirkenden im Abspann des Spiels wird reich den Titel - sie haben es sich verdient. Bei bald 50 Mio. verkaufter Exemplare und das noch vor dem PC-Launch sollte das jedenfalls drin sein.

10/10


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