| Ingress [Android/iOS] |  |
Von Ingress habe ich zum ersten mal im Destiny-Chat gehört, allerdings nicht in preisender Weise, sondern eher so, es tut mir leid dass ich zu spät zum Raid bin, war noch wegen Ingress unterwegs.
Ingress ist ein AR-Spiel das mit Google Maps gekoppelt ist. Öffnet man die Spieloberfläche ist das in etwa so wie bei einem Navi, nur das man da die "erweiterte" Realität sieht. Der Storyhintergrund ist grob, in unserer Welt gibt es Portale durch die eine mysteriöse Materie fließt, es gibt zwei Fraktionen, eine die sagt, diese Portale müssen wir aufhalten, Weltuntergang, und eine die sagt, geilo Materie, Jesus.
So in etwa.
Quatsch halt.
Worum es letztlich geht ist, dass man sich anfangs für eine Fraktion entscheiden muss, diese Entscheidung ist fest und unumkehrbar. Die Portale sind hierbei an alle möglichen Formen von Sehenswürdigkeiten gekoppelt, Kirchen, Schwimmbäder, Spielplatzinstallationen, Graffitis, Skaterampen usw. und markieren Knotenpunkte.
Diese Knotenpunkte können neutral sein oder schon einer der beiden Fraktionen gehören. Knotenpunkte können alle paar Minuten gehackt werden, wodurch sie Items ausspucken, neutrale Knotenpunkte können durch die Installation eines Resonator-Items für die eigene Fraktion eingenommen werden. Knotenpunkte die schon der eigenen Fraktionen gehören können durch Installation von zusätzlichen Items in unterschiedlicher Weise verbessert werden.
Ein Schlüsselaspekt in Ingress ist dann, dass die Interaktion mit diesen Knotenpunkten nur in einem Umkreis von 50 Metern möglich ist, möchte man Ingress spielen, muss man also spazieren gehen. Das ist dann genau der Aspekt weswegen ich angefangen habe das zu zocken. Spazieren ist nicht nur die einzige Sportart die ich gerade machen darf, sondern zudem auch die Sportart die ich gerade machen muss um meine degenerierte und durch monatelange Schiefhaltung asymmetrisch ausgebildete Muskulatur wieder einzufangen. Das war jetzt aber nicht unbedingt ein Bringer hier mehrmals am Tag einfach um den Block zu laufen. Mit Ingress versprach ich mir da ein motivierendes Möhrchen vor der Nase. Und genau das habe ich bekommen, mehr noch, ich hab hier im Viertel schon einige recht coole Ecken entdeckt die fußläufig in paar Minuten erreichbar sind, die ich jedoch obwohl ich hier schon Jahre wohne noch nie gesehen habe.
Ingress hat allerdings ein RPG-Prinzip, man selbst ist als "Agent" beim Start auf Level 1. Und kann dementsprechend nur Level 1 Items benutzen. Was das heißt braucht man hier nicht erklären. Man ist ein kleines Arschloch.
Um weiter zu erläutern wie sich das spielt, müssen wir nun zum Kernelement des Spiels kommen. Das ist das verlinken von Knotenpunkten. Hackt man ein Portal, besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit den sogenannten Portal-Key dieses spezifischen Portals zu erhalten. Hat man diesen im Gepäck und geht nun zu einem anderen Knotenpunkt, also Portal, und zwischen diesem Portal und dem Portal dessen Portal-Key man besitzt ist in Luftlinie kein Link im Weg, kann man einen eigenen Link zu diesem Portal setzen, eine Aktion die den gesammelten Portal-Key aufbraucht. Dieser Link ist also ein Verbindungsstrich zwischen diesen zwei Portalen, der auch im Spiel selbst sichtbar ist. Links dürfen sich jedoch nicht kreuzen. Und werden drei Portale so zueinander verlinkt das sie ein geschlossenes Dreieck bilden, baut man eine Fläche, die in der Farbe der eigenen Fraktion eingefärbt wird. Diese Fläche ist dann die, welche in der Spielübersicht zählt, die Gesamtflächen beider Fraktionen werden aufaddiert, und dann kann man gegenüberhalten welche Fraktion in welcher Region wie auch Global die Oberhand hat.
In Ingress baut man also Felder aus Dreiecken, und das bauen eines Feldes ist dann auch die Aktion welche einem selbst die meisten Erfahrungspunkte beschert. Für einen Lowlevel-Spieler ist das allerdings nicht ganz so einfach. Nur Portale die der eigenen Fraktion gehören können verlinkt werden, ein Link darf keinen anderen Link kreuzen, innerhalb eines Feldes können keine Felder gebaut werden. Lotet man seine Möglichkeiten aus etwas zu bauen, stellt man oft fest, dass da gegnerische Portale und gegnerische Links und gegnerische Felder im Wege stehen. Portale des Gegners können auch angegriffen werden, deren Links zerschossen und deren Felder zerstört werden. Nur ist das Spiel jetzt so lange am Start, dass man als kleines Licht nichts zu melden hat. Welche Items man benutzen darf, hängt halt am eigenen Spielerlevel. Ist ein gegnerisches Portal durch Highlevel-Items geschützt kann man mit seinen Lowlevel-Items darauf ballern bis man schwarz wird, man kann nicht mehr als daran kratzen.
Also sucht man sich Spots die eher verwaist sind, wo man neutrale Portale erobert, und dort kleine Felder baut, oder nach Möglichkeiten sucht bei bestehenden Portalen der eigenen Fraktion Linkmöglichkeiten auszuschöpfen. Ein weiteres Problem, während man selbst keinen Zugriff auf Highlevel-Portale des Gegners hat, und dann in irgendwelchen abgelegenen Wüsten rumbaut um seinen Level zu pushen, sind die Portale die man dabei erobert nur durch die eigens gesetzten Lowlevel-Items geschützt. Ein Highlevel-Spieler der gegnerischen Fraktion zerfickt so ein Lowlevel-Portal im Vorbeigehen.
Ich selbst bin gerade unglaublich motiviert meinen Level zu pushen und laufe rum wie ein Bekloppter um Möglichkeiten in meiner Umgebung auszuschöpfen. Hier hat das Spiel seinen Einsatzzweck mehr als erfüllt. Das ist wirklich super, während ich mich vorher kaum aufraffen konnte die Bude zu verlassen um meine tristen Runden zu drehen, kloppe ich nun selbst im Regen bei allerfeinstem Couchwetter meine Kilometer ab. Auf der anderen Seite macht mich das Spiel fucking aggressiv! Es ist halt so, dass man als Ingress-Spieler merkt was in der Umgebung los ist. Ich, der zur Fraktion der Grünen gehört, laufe in irgendeinen abgelegenen Park, wo alle Portale neutral sind, halt einen Fleck für den sich niemand interessiert, und in dem man auch nicht viel Fläche holen kann. Aber die Fläche interessiert mich auch nicht, ich brauche Erfahrungspunkte, und es ist egal wie groß das Feld ist das man baut, die Erfahrungspunkte dafür sind immer gleich. Also baue ich viele kleine Felder um nicht aufzufallen und nicht zu provozieren und Zonen zu haben wo ich agieren kann. Einen Tag später möchte ich dann an so einem Spot weitermachen, für den sich keine Sau interessiert hat, und wo meine Billofelder echt kein Ärgernis sind da sie eh kaum Fläche generieren, und muss sehen dass ich damit irgendeinen Blauen aufgeweckt habe, der sich durch meinen Killefitz motiviert fühlt selbst seinen Arsch in Bewegung zu setzen, diesen verwaisten Spot aufzusuchen, innerhalb von Minuten alle meine Portal-Links zu zerschießen, und einfach nur ein einziges großes blaues Feld um diesen Spot zu ziehen, wo mir die Pauer fehlt das kaputt zu machen, und damit die komplette Fläche für mich zu blocken.
Obendrein wird dann noch gerne ein sogenannter Sperrlink gesetzt. Das ist einfach ein elend langer Link zwischen zwei Portalen der keinen eigenen Zweck erfüllt, er ist nicht gedacht ein eigenes Feld zu errichten, sondern wird in die Landschaft gesetzt um das bauen vieler kleiner Felder zu sabotieren, da er ja mitten durch die Pampa geht und einen großen Teil von Linkmöglichkeiten aushebelt. Das finde ich ziemlich sinnfrei und husohaft weil es einfach nur die Möglichkeiten zu spielen torpediert, übrigens für beide Fraktionen, nicht nur für einen selbst, denn auch der Gegner darf ja Links nicht kreuzen.
Auf der anderen Seite hat mein rumgeskaper nicht nur einige gegnerische "Agenten" aufgeweckt, sondern auch bei der eigenen Fraktion Aufmerksamkeit erzeugt. So wurde ich über den Ingame-Chat angeschrieben wo jemand von der eigenen Fraktion an Portalen gesehen hat, dass ich die taktisch ungeschickt schütze, und mir einen einfachen Hinweis gegeben was ich da besser machen kann. Schließlich kam das Angebot dass ich mal rumkomme, mit dessen Hilfe könne ich in einer Session ein oder zwei Level aufsteigen. Die Strategie, der Highlevel-Partner zerstört schwache Portale des Gegners, ich erobere die dann und verlinke und baue Felder. Ohne den Partner ginge das für mich nicht, da ich selbst mit schwachen gegnerischen Portalen Mühe hab die kaputt zu machen. So zog ich dann zum vereinbarten Treffpunkt los, und hab mich gefragt was ich da wohl für einen Nerd antreffen würde.
Der Nerd war dann eine kleine bebrillte schätzungsweise 50 Jahre alte Frau, die ob des Regens ihr Nexusphone in einen Gefrierbeutel gepackt hatte, und es mit einem Stift bediente.
Das fand ich dann aber wieder superlolig, und es hat mich hochgradig amüsiert mit einer verschrobenen Lady die fast meine Mutter sein könnte für zwei Stunden um die Blocks zu ziehen und mir ihren Ingress-L33tspeak zu tanken.
Etwa, dass ich einen Anker bräuchte (Akkupack), in dem Gebäude dort ein Schlumpf arbeitet der sie ständig sabotiert (Gegner hat die Farbe blau->Schlümpfe), und mir stolz ihr Hausportal gezeigt hat (Portal mit dem man aus der eigenen Wohnung heraus interagieren kann, was bei mir leider, oder Gott sei Dank, nicht gegeben ist).
Auf ihr Anraten bin ich jetzt auch mal in die regionale Gruppe die sich über Google+ organisiert eingetreten. Das ist schon faszinierend von was für einer Bandbreite von Typen die ausgefüllt ist. Vom jugendlichen Asikopp über diverse Studenten, den klassischen Nerd, einige Punks über die Hausfrau und den Anzugsspießer ist alles vertreten. Wenn man am Ball bleibt läuft es dann auch darauf hinaus dass man mal an einer Gruppenaktion teilnimmt, alleine zu spielen ist möglich, schränkt aber den Handlungsspielraum ziemlich ein. Sowas werde ich mir denke ich anschauen, allein um es gesehen zu haben, ob das was für mich ist weiß ich noch nicht, kann es aber auch nicht ausschließen, allein den Gedanken mit 10 Narren jedweder Couleur rumzulaufen finde ich schon recht spaßig.
Aber um dahin zu kommen, muss ich wie mir gesagt wurde erst Level 8 erreichen.
Zeit nach draußen zu gehen.