Thema:
Liebe flat
Autor: Sunspecter
Datum:08.01.17 14:41
Antwort auf:The Last Guardian goes E3!!!!! von Sidewinder

Nichts anderes empfinde ich für dieses Spiel.

Mich wundert, wieviele kritische Stimmen es hier gibt. Frust durch Ungeduld statt Faszination durch Reduktion. Meinereiner gehört zur letzteren Gattung. Ich liebe einfach Uedas minimalistische Art-Direction und Gameplay-Design. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, Trico zu streicheln und zu beobachten. Dass er einen eigenen Willen hat und nicht videospieltypisch auf Knopfdruck reagiert, war ja das faszinierende. Stichwort: Haustier. Stichwort aber auch: Videospieler wollen Action und schnellen Erfolg.

Ich zumindest hatte nie Probleme und war verwundert, wie selbständig Trico agiert. Selten hab ich ihm Befehle erteilt. Die Bindung zwischen KI-Tier und mir hat jedenfalls voll funktioniert - und entsprechend hab ich am Ende dann auch eine kleine Träne verdrückt. War selbst verwundert. Derart Emotionen rauszukitzeln, allein dafür alle Hüte ab. Bei vielen Triple-A-Produktionen stumpfe ich eher ab.

Der größte Triumph, imo: Da hat sich nix gescriptet angefühlt, alles wirkte so natürlich und "das passiert jetzt gerade wirklich". Jeder Schritt, jede Aktion passierte gefühlt alles In-Game.
Kann deswegen denn Uncharted-Vergleich weiter unten auch nicht verstehen. Genau dieser Kontrollverlust (auch bei der Steuerung) bewirkt, dass ich ein Uncharted eher genieße wie eine BigMäc. Last Guardian schmeckte nach Kaviar.

Ich war dennoch überrascht über das Gameplay. Das war ICO mit Fabelwesen. So einen direkten Nachfolger hatte ich nicht erwartet (hatte aber auch lange Jahre Zeit, zu vermuten). Das hat mich auf der einen Seite sehr gefreut, auf der anderen Seite hatte ich aber dazu noch ein bisschen Shadow of the Colossus erhofft. Sprich: Plattforming und Rätsel wie in ICO, unterbrochen von Puzzle-Bossfight ala Shadow. Das will ich dem Spiel aber gar nicht vorwerfen. Für das, was es sein will, ist es perfekt.

Ich liebe auch die Welt-Architektur. Das ist der Grund, warum ich Open-World nicht mag: Bei TLG ist kein Stein, kein Baum, keine Grashalm aus dem Baukasten, sondern mit Liebe plaziert. Da brauche ich dann auch kein riesengroßes Aquarium mit Tag/Nacht-Wechsel. Ich konnte mich an der Szenerie gar nicht satt sehen. Dieser von unten-nach-oben-Spielverlauf hatte einen ungemeine Sog auf mich.

Die Steuerung gefiel mir durch ihre Clumpsyness sehr gut, aber: an den meisten Abhängen konnte man gar nicht runterfallen, wenn man den Stick weiter nach vorne drückte. Hat mir etwas von der "omg, ich könnte jetzt runterfallen"-Faszination geraubt - und war (glaube ich) in Ico und Shadow weniger "sticky". Auch das Erklimmen von Trico fand ich in SoTC besser gelöst, durch das immersivere "du-musst-einen-knopf-gedrückt-halten-und-auf-deine-ausdauer-achten". Schade, schade, dass sie das gegen ein automatisches Ankleben getauscht haben. Da lag aber auch kein Puzzle/Gameplay-Fokus drauf, ich verstehe schon. Dennoch kein Vergleich zu Uncharted. Sprünge konnte man immerhin noch selbständig verhauen in TLG.

Wermutstropfen: Mindestens einen SoTC-mäßigen Kampf hatte ich mir bis zum Ende erhofft - oder zumindest eine Anspielung. Konsequent, dass Ueda darauf verzichtete - aber eben auch schade. Vor allem, weil das Endwesen genau das Gegenteil von dem war, was ich mir wünschte. Selbst ICO lieferte da einen überraschenden Endkampf nach all dem Minimalismus.

Sowieso fand ich das letzte Drittel (ab der Eishöhle) das schwächste. Das Finale aufm Dach war toll, aber der Weg dahin: Optisch ganz plötzlich mau (sah aus wie ein ps2-Spiel) und spielerisch ärgerlich. Weil es vorher nur so flutschte mit dem Vorankommen (man sogar durch den Off-Erzähler als Langsamspieler gespoilert wurde) - aber als ich dann wirklich mal wie der Ochs vorm Berg gegenüberstand: Null Info. Da war der Flow plötzlich weg.

Fand es sehr geil, dass storymäßig kaum was erklärt wurde - eben weil die Geschichte subjektiv von dem Jungen nacherzählt wurde. Toller Kniff. Dennoch wäre ich für ein paar Interpretationansätze offen.

Das Ende war wunderschön (auf dem Dach hab ich bestimmt ne Stunde geslackt), und solche Machwerke sind der Grund, warum ich Videospiele zocke. Für das, was TLG sein wollte: Meisterwerk.

ps.: Einzig der Soundtrack war eine leichte Enttäuschung (warum nicht den SoTC-Composer revitalisiert?).


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