Thema:
Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. flat
Autor: token
Datum:18.06.18 14:12
Antwort auf:Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. von suicuique

>Ich muss deine Antwort natürlich so akzeptieren, bin aber sehr verwundert ob dieser reduzierten Sichtweise. Allein dass Du meinen Einwurf von Interaktion auf Immersion zurechtstutzt (was GÄNZLICH anderes ist), finde ich ... unglücklich.
>

Dann möchte ich hier aber auch ein wenig ergänzend erklären.
Ich gehe jetzt mal davon aus dass unser Reibungspunkt ist, dass du zwischen Interaktion (ich drücke Knöpfe auf einem Gamepad) und einer reinen Immersion ohne Interaktionskomponente einen qualitativen Unterschied ausmachst, und ich diesen verneine.

Ich verneine ihn, weil das für mich alles zum großen Werkzeugkasten der Bewusstseinsmanipulation eines Erzählers gehört, und heruntergebrochen darauf was er damit in dir auslöst im Grunde die gleichen Erlebniswelten triggert.

Mal kurz ausgeholt, was ist eigentlich Immersion, was ist Empathie, wie funktioniert sowas überhaupt, was passiert da rein mechanisch.
Wie kann es gehen dass ich die Perspektive eines anderen Menschen verstehen kann?
Offenbar ist der Mechanismus dahinter so plump wie naheliegend. Ich simuliere das was ich über andere weiß oder beobachte anhand meiner eigenen Ich-Perspektive, ich tue so als wäre ich er. Das bemerkenswerte hieran ist, dass sowas lowlevel permanent im Gehirn am Start ist. Wir haben unser Neuronennetzwerk im Hirn, neben den Neuronen die unser eigenes Handeln und Denken steuern gibt es aber noch die Spiegelneuronen. Und die machen nichts anderes als permanent beobachtete Handlungen dritter so zu simulieren, als seien es unsere eigenen. Der Verdacht dass genau hier die Basis von auch höherer Empathie begründet liegt, liegt nahe und bestätigt sich durch diverse Krankheitsbilder. Was ist beim Autisten kaputt, dem dieses Einfühlungsvermögen abgeht? Die Spiegelneuronen. Und auch die "Simulation" bestätigt sich durch ein anderes Krankheitsbild, nämlich bei Menschen die diese Simulation nicht als Computing für das Unterbewusstsein abtrennen können, die können nicht anders als alles was um sie herum passiert nachzuäffen.

Es findet also IMMER eine Form von Ich-Ausführung statt, vollkommen unerheblich ob ich für diese einen Knopf gedrückt habe, oder nicht. Weiter, das Drücken eines Knopfes ist eine Handlung die abstrakt ist, sie hat nichts mit der Handlung im Spiel zu tun. Entsprechend auch Stilmittel bei etwa QTE um diese Abstraktion zu reduzieren, so etwa bei God of War, wo wir beim Ausdrücken der Augen nicht Dreieck drücken sollen, sondern auf die zwei Thumbsticks, um unsere Joypad-Handlung näher an die eigentliche Greueltat zu führen. Diese Stilmittel die eben solche Abstraktionsschichten abreißen und den Rezipienten stärker an das Ich-Erlebnis zu bringen sind jedoch vielfältig, man nehme etwa den Ich-Erzähler aus dem Buch oder den Kameramann der am Strand von Omaha-Beach seine Cam ins Wasser taucht und wieder raus zieht, so dass der Zuschauer im Kinosaal wirklich denkt er kämpfe ums Überleben und ihm flögen die Kugeln um die Ohren.


Ich kann in all dem keine qualitativen Unterschiede erkennen. Das einzige wo jetzt noch das Videospiel durch Interaktion einen qualitativen Unterschied zur sagen wir mal "passiven" Immersion erzeugen kann, ist der Akt der Willensbekundung. Wenn ich nicht auf diesen Knopf drücke, dann wird die Handlung nicht vollzogen. Ich bin es also der diese Handlung vollzieht. Richtig?
Und auch hier denke ich, nein. Du hast keine Handlungsfreiheit, sondern vordefinierte Handlungsräume. Und meist ist es so, dass es in so einem Handlungsraum nicht mal einen Entscheidungsraum gibt. Alles ist klar vorgegeben. Und da erkenne ich zwischen demjenigen der sagt, nein, ich drücke den Knopf nicht, und demjenigen der im Kino bei der Szene wo man ihn in die Perspektive vom auf das Opfer einstechenden Michael Meyers zwingt den Saal verlässt, keinen wirklichen Unterschied, so wie ich ihn eben auch nicht erkenne wenn man den Knopf drückt oder im Saal sitzen bleibt.

>In dem Punkt kommen wir offenbar nicht zusammen :)
>

Wahrscheinlich nicht :)


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