Thema:
Ich glaube das Fazit triffts ganz gut: flat
Autor: Purple Motion
Datum:20.09.22 08:24
Antwort auf:Return to Monkey Island (2022) von Fred LaBosch

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Eine Frage des Stils

Am Ende ist alles vom persönlichen Geschmack abhängig, allerdings ist genau das eben das denkbar billigste Totschlagargument überhaupt. Man kann persönlich auch Super Mario total doof finden, aber dann hat wohl eher der Rezipient ein Problem und nicht der genannte Charakter oder die Spiele mit ihm. Bei "Return to Monkey Island" ist das zum Teil ähnlich, insbesondere mit Blick auf die Grafik. Die hat, wie eingangs erwähnt, im Vorfeld der Veröffentlichung so manchen Gamer zu einer besonders kritischen Anmerkung bewogen. Ja, man kann den Stil als nicht ansprechend oder sogar als hässlich empfinden. Uns ging es da tatsächlich im Vorfeld kaum anders. Uns scheint es jedoch eher eine Gewöhnungsfrage zu sein - wir kamen mit Guybrushs Look in "Curse of Monkey Island" oder auch in der Special Edition von Teil 1 anfangs auch nicht gänzlich klar. Letztlich haben wir uns mit dem Stil aber nicht nur abgefunden, sondern sogar angefreundet. Denn trotz der begrenzten Budgets steckt eine Liebe zum Detail auch in den Animationen, die wir manchen aktuellen Triple-A-Produktionen nicht unbedingt attestieren könnten.

Zudem umfasst das Thema Präsentationen ja auch andere Bereiche, nicht zuletzt die Sprachausgabe und die Musik. Bei den Sprechern müsst ihr zwar auf ein deutschsprachiges Voiceover (bislang zumindest) verzichten, bekommt aber unter anderem mit Guybrushs englischem Stammsprecher Dominic Armato, den wir trotz der Klasse des deutschen Sprechers Norman Matt als DEN Guybrush schlechthin erleben, einiges geboten. Und auch bei sämtlichen anderen Sprechern finden wir keinen Grund zum Meckern. Ein wahrer Genuss, wenngleich die Musik in unserer Vorabversion nicht immer perfekt abgemischt war, ist der Soundtrack. Hier gibt es reihenweise Neuinterpretationen etwa des LeChuck-Themes und von verschiedenen weiteren Stücken aus den ersten beiden Teilen von "Monkey Island". Und kein billiger Abklatsch, sondern vom Komponisten Michael Land höchstpersönlich, der allem, etwa der Titelmelodie von Teil 1 oder auch dem Stück, das in der Scumm-Bar gespielt wird, eine dicke Frischzellenkur verpasst hat. Erneut einer der Bereiche, in denen insbesondere den Serien-Fans das Herz aufgehen muss. Bei uns ist das in jedem Fall so!

FAZIT:

Als klassisches Adventure hat "Return to Monkey Island" per se einen schweren Stand. Denn Spiele ohne Action und mit kniffligen Puzzles sind nicht gerade das, wonach es die Masse der Gamer dürstet. Das optionale Angebot eines vereinfachten Spielmodus mit weniger Rätseln oder der allgemein hohe Komfort etwa in Form einer clever gestaffelten, spielinternen Hinweisfunktion machen den Titel zwar definitiv attraktiver für genrefremde Spieler, gerade aufgrund der unzähligen Referenzen zu den Vorgängern dürfte ihnen der Einstieg dennoch besonders schwerfallen. Aus Sicht eines Serien-Fans wie mir sieht das ganz anders aus. Bekannte Schauplätze wie Mêlée Island zu erkunden oder Guybrushs früheren Wegbegleitern wie Schwertmeisterin Carla, Händler Stan oder Ex-Crew-Mitglied Otis erneut zu begegnen, fühlt sich wie eine Rückkehr nach Hause an. Und dennoch gibt es mehr als genug Neues zu entdecken: frische Handlungsorte, angenehm skurrile NPCs und (trotz so mancher Referenz auf Guybrushs frühere Aufgaben) kreative Rätsel statt welche vom Reissbrett, von denen sich die meisten anderen aktuellen Adventures eben nicht freisprechen können. Dennoch spielt die Nostalgie eine zentrale Rolle. Denn viele Gags, gerade die serientypisch flachen darunter, dürften bei Serienfremden weit weniger zünden. Ohne Vorkenntnisse ist manches gar wenig nachvollziehbar, Referenz-verdächtige Rätsel sind sogar schwieriger lösbar. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Spiel, weshalb nur ein abschliessendes Urteil möglich ist:

Seid ihr mit der Serie nicht vertraut, oder mögt ihr klassische Adventures generell nicht, dann werdet ihr auch mit "Return to Monkey Island" nur in Ansätzen warm werden. Seid ihr Fans der Reihe, werdet ihr abseits vielleicht des Grafikstils zufrieden sein und die Rückkehr zur Affeninsel als vollwertigen und (nach den ersten drei Teilen) sogar als bislang besten Serienteil auffassen. Einen neuen Serienprimus dürfen aber auch die Fans nicht erwarten.


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